MORI Ôgai

Vom Miltärarzt zum bedeutenden Schriftsteller

MORI Ôgai

MORI Ôgai gehört neben seinem Zeitgenossen NATSUME Sôseki und dem Gegenwartsautoren MURAKAMI Haruki zu den wenigen japanischen Schriftstellern, die in Europa Literaturbegeisterten bekannt sind. Grund genug, ihn hier in JAPANLINK mit einer kurzen Biographie zu würdigen.

MORI Ôgai wurde am 17.2.1862 in Tsuwano, einer kleinen Residenzstadt in Westjapan in der heutigen Präfektur Shimane nördlich von Hiroshima, als MORI Rintarô geboren.Seine Familie stellte seit 13 Generationen dem daimyô von Tsuwano den Arzt und gehörte somit dem Samuraistand an. Für Rintarô wurde beschlossen, dass er wie sein Vater und dessen Vorväter Mediziner zu werden habe.
Durch die in der Meiji-Zeit durchgeführten Veränderungen innerhalb Japans, wurde Tôkyô, das ehemalige Edo, Zentrum des sich zentralisierenden Japans. Wer Karriere in der Wissenschaft machen wollte, kam spätestens jetzt an der Landeshauptstadt nicht mehr vorbei.
1872 zog es auch den Fürsten von Tsuwano nach Tôkyô und die Familie MORI folgte ihm. Der damals 10 jährige Rintarô hatte in der Heimat bereits Holländisch gelernt. In Tôkyô began er zudem Deutsch zu lernen, welches Holländisch als Medizinersprache allmählich ablöste.
Ab 1874 besuchte Rintarô einen Vorbereitungskurs der staatlichen Medizinschule in Tôkyô, in welche er dann 1877 im Alter von 15 Jahren eintrat. Der Unterricht wurde hier teilweise in deutscher Sprache abgehalten, wodurch er seine Sprachkenntnisse noch weiter verbesserte.

Im Jahr 1881 schloss er sein Studium an der Medizinschule ab. Auch wenn es sein seligster Wunsch war, für einen Studienaufenthalt nach Europa zu reisen, reichten seine Noten nicht für ein Stipendium – er war während der Vorbereitung auf seine Abschlussprüfung krank geworden und hatte einige seiner Vorlesungsmitschriften verloren. Der Weg ins Ausland führte bei ihm über die Armee, in welche er 1883 als Militärarzt eintrat.
1884 wurde Rintarô auf seinen Wunsch hin zum Studium nach Deutschland geschickt. Er studierte in Leipzig, Dresden, München und Berlin. Er beschäftigte sich vornehmlich mit dem Themenfeld Hygiene. Während des bis 1888 dauernden Studienaufenthaltes fand er Zeit für eine intensive Lektüre des aktuellen Literaturkanons (Reclam Bibliothek und Heyse/ Kurz „Novellenschatz“).
Er fühlte sich in Deutschland wohl und lernte nicht nur die zur direkten Verwendung dienende wissenschaftliche Forschung und eine sich nicht moralischen und politischen Zielen unterwerfende Literatur kennen, sondern auch viele Deutsche.

Seine Freundin aus Deutschland, Elise Wiegert, folgte ihm zwei Wochen nach seiner Überfahrt nach Japan. Da er aber der Armee angehörte, war eine Hochzeit mit einer Ausländerin ausgeschlossen und zudem von der Familie MORI ungewollt. Elise musste zurück nach Deutschland und Ôgai wurde in eine arrangierte Ehe gezwungen, die bereits ein Jahr nach der Hochzeit wieder geschieden wurde.

MORI Ôgai war in der Zeit nach seiner Rückkehr sehr aktiv – sowohl im medizinischen, als auch im literarischen Bereich: Er beteiligte sich am wissenschaftlichen Diskurs, übersetzte Werke deutscher Autoren ins Japanische, schrieb literaturkritische Artikel und schuf erste eigene Erzählungen. Die erste davon war 1890 „Maihime“ („Die Tänzerin“), in welcher er die Beziehung zu Elise verarbeitete. Auch die beiden darauffolgenden Geschichten spielten wie „Maihime“ in Deutschland. Das literarisch besondere an „Maihime“ war, dass es zum einen die erste Ich-Erzählung der neueren japanischen Literatur war und zum anderen die erste Geschichte mit persönlichen Erfahrungen des Autors in einem erzählenden Text.

Seine literarische Produktivität wurde ab 1894 wegen des chinesisch-japanischen Krieges (1894/95) und des russisch-japanischen Krieges (1904/05) durch berufliche Pflichten ausgebremst. Eine in diese Zeit fallende Versetzung nach Kokura in Westjapan, die Ôgai selbst stets als Exil empfand, nutzte er zur Vertiefung seines literarischen und sprachlichen Studiums und er lernte zusätzlich Chinesisch und Französisch. Zudem beschäftigte er sich mit europäischen Schriften zur Religion und Philosophie. In seiner Zeit in Kokura arrangierte seine Mutter eine zweite Ehe (sie hatte ein schlechtes Gewissen wegen der schiefgegangenen ersten Ehe). Ôgai heiratete Shige zwei Monate vor seiner Abreise aus Kokura.

Ab 1907 begann seine zweite Schaffensperiode, in welcher er viele Übersetzungen neuerer Literatur vorlegte (Rilke, d’Annunzio, Schnitzler, Wilde, Hauptmann…) und einige originale Werke wie beispielsweise das halbautobiographische „Vita Sexualis“ (1913) veröffentlichte.

Ôgai stand sein Leben lang persönlich wie geistig zwischen den Fronten. Er hatte Freunde und Bekannte unter liberalen Literaten sowie beim konservativen Militärs. Er war selbst Orientierungspunkt in der litarischen Szene und durch seine Stellung als Generalarzt (höchstmögliche Position eines Militärarztes in Japan) Teil des Establishments. Im November 1915 nahm er, vom Wunsch beflügelt, mehr Zeit für sich und seine Literatur zu haben, Abschied vom Militär. Doch währete die Pause nicht lang: Im Dezember 1916 wurde er zu der sehr ehrenhafte Position des Leiters der kaiserlichen Sammlungen und der kaiserlichen Bibliothek berufen. Eine Stellung, die er bis zu seinem Tod innehatte.
Er fand neben seiner neuen, weit weniger zeitaufwendigen Anstellung, immer noch Zeit zum Schreiben und entwickelte das neue Genre shiden („historische Biographie“), mit lose zusammengefügten Biographien von Gelehrten der Feudalzeit.

Am 29.Juni 1922 ließ Ôgai sich gegen seinen festen Entschluß von einem Arzt untersuchen, welcher Nierenschrumpfung und Tuberkulose attestierte. Wenige Tage darauf, am 6. Juli, diktierte er seinem einzigen Freund, KAKO Tsurudo, sein Testament. Er forderte, ohne besondere Ehren seitens des Heeres oder der kaiserlichen Bibliothek als MORI Rintarô beigesetzt zu werden. Am 9. Juli 1922 verstarb er im Alter von 60 Jahren.

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