10 Fragen an… Volker Habermaaß

Japan-Kenner, Heldbergs-Gründer und Freund von schönen Dingen

10 Fragen an… Volker Habermaaß

Bevor Volker 2015 unter dem Namen „Heldbergs“ einen Onlineshop für Männer an den Start schickte, indem er und sein Team liebevoll „Richtig gutes Zeug“ inszenieren, verbrachte er einige Jahre in Tokyo. Neben der Idee, Produkte mit einer eigenen Geschichte anzubieten, hat er auch ein Faible für die dortige Kultur und Handwerkskunst mitgebracht. Folgerichtig bieten sich einige exklusive Japan-Importe im Produktsortiment seines Shops.

Japanlink: Volker, auch an dich geht zuerst die Standardfrage unserer kleinen Interviewreihe: Kannst du dich noch daran erinnern, was du werden wolltest, als du 6 Jahre alt warst und wie sich dein Berufswunsch in den folgenden Jahren änderte?

Kann mich nicht wirklich dran erinnern. Glaube es hatte irgendwas mit Seefahrt zu tun. Ich hatte jedenfalls immer einen sehr großen Freiheitsdrang und das Bedürfnis, mich in fremde Gewässer und andere Welten zu begeben, Neues zu entdecken. Das hat sich bis jetzt wenig geändert. Ich finde immer noch Erfüllung im Abenteuer und im Suchen und Finden.

Verstehe. Was hat dich denn nach Japan verschlagen?

Anfänglich hatte ich eigentlich kein großes Interesse an Japan bzw. der japanischen Kultur, dann kommen aber Menschen ins Spiel und schon ist man mittendrin, sprich meine Partnerin ist Japanerin und so ging es über Umwege durch London über einen Kurzbesuch in Tokyo dann doch schnell für eine längere Zeit nach Japan. Aus einer Woche wurden am Ende dann doch 9 Jahre, in Tôkyô, Ôsaka und Kobe.

Jetzt arbeitest du von Bad Rodach aus, ein fränkisches Heilbad im Landkreis Coburg mit gerade einmal 6.367 Einwohnern. Im Vergleich zu den knapp 9,6 Millionen Einwohnern in der Stadt Tôkyô schon ein gewisser Unterschied. Ist dir die Rückkehr schwergefallen? Gibt es etwas, das du hier vermisst?

Vieles, ja ich vermisse verdammt vieles. Da ist auf der einen Seite die Energie der japanischen Städte, der Mix aus Cleanliness, die Durchstrukturiertheit einer gut geölten Maschine, und auf der anderen Seite die Anarchie der Städte (z.B. private Stadtbegrünung in Tôkyô und Ôsaka vor den Häusern, der Mix aus Individuen, welche aber über den Tellerrand hinaus am Leben teilnehmen – zum Beispiel Izakaya in Ôsaka oder anderen Städten. In Deutschland gibt es zu strenge Trennungen der einzelnen Tribes, jeder bewegt sich in seiner für sich definierten Nische und versucht 100% zu sein. Japan mischt hier fröhlicher und frischer durch. Und die vielen Nischen, welche sich auftun, sowohl gesellschaftlich als auch architektonisch. Uniform und doch wieder nicht. Regeln und doch wieder nicht.

Regeln, Ordnung und Unordnung gleichzeitig. Das führt mich gleich zu dem Angebot von Heldbergs. Dort finden sich einige Produkte, die „Made in Japan“ sind. Darunter finden sich Do it Yourself-Klappmesser und Messing Kugelschreiber ebenso wie japanische Jeans und Hemden, ein Matcha-Set für unterwegs und japanische Lesezeichen. Wonach triffst du deine Produktauswahl? Gibt es hier eine konsequente Linie?

Die Produktauswahl treffe ich rein per Bauchgefühl, in erster Linie was mir gefällt und wovon ich aber denke, dass es eben auch anderen gefallen könnte. Es gibt aber trotzdem eine konsequente Linie. Das Konzept ist dem eines Select Shops – welche es in Japan ja in Hülle und Fülle gibt – am nächsten. Für uns vermeintlich nicht zusammenpassende Dinge finden über eine gemeinsame Klammer einen gemeinsamen Nenner. In Japan gibt es auch einige Select Shops, wo neben hochwertigen Stationary Artikeln, wie schönem Schreibgerät eben auch ein Frosch Seifenreiniger, Klamotten, Vinyl oder Lebensmittel einen gleichberechtigten Platz bekommen, ohne deplatziert zu wirken. Die Geschichten dazu sind essentiell.

Glaubst du, dass „Made in Japan“ heutzutage immer noch ein Qualitätsversprechen ist? In vielen Branchen setzt das Inselreich inzwischen nur noch wenige bis gar keine Innovationsimpulse. Da zieht dann eher die Rückbesinnung auf teilweise mystifizierte Traditionen wie den im Handwerk oder Künsten wie der Teezusammenkunft, oder?

Ja, denke ich auch. Innovationsimpulse gehen nicht mehr wirklich von Japan aus, eine Rückbesinnung auf Traditionen finde ich aber in einer immer schneller werdenden, sich verändernden Welt sehr wichtig, zumindest in dem Feld, in dem wir uns bewegen. Es existiert eine Welt außerhalb der Masse, der Uniformität, in der man sich bewegen kann. Auch in der Nische lässt es sich gut leben.

Stell dir vor, du würdest Heldbergs auch in Japan starten und dort dann Exporte aus Deutschland anbieten. Würde das deiner Einschätzung nach funktionieren?

Ja, auf jeden Fall würde das funktionieren. In der Tat sind wir schon dabei Heldbergs nach Japan zu bringen. Das braucht Zeit, aber es wird sich am Ende lohnen.

Auf jeden Fall. Bist du eigentlich regelmäßig in Japan, um dich über neue Produkte auf dem Laufenden zu halten, die für deinen Onlineshop spannend sein könnten? Oder läuft das in der Regel eher aus der Ferne?

Ja, im Jahr bin ich circal zweimal im Jahr beruflich in Japan, was auch sehr wichtig ist. Beziehungen müssen gepflegt sein und neue geknüpft werden. Das funktioniert nur über direkten Kontakt mit den Menschen und regen Austausch. Nur so bleibt man offen. Die Storys sind am Ende entscheidend. Viele der kleinen Manufakturen haben keine Erfahrung ins Ausland zu gehen beziehungsweise. sich um einen eigenen Vertrieb zu kümmern. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Da unterstützen wir – auch mit direktem Kontakt.

Ja, der in Japan ganz besonders wichtig ist. Was würde sich deiner Ansicht nach in Deutschland nicht gut verkaufen, obwohl es in Japan ein Riesenrenner ist?

Hui, da gibt es einiges, wie etwa die ganze Vielfalt und Varianten von speziellen Lebensmitteln wie zum Beispiel die Palette an KitKat in allen Geschmacksrichtungen und Qualitätsabstufungen oder die wahnsinnige Anzahl an immer neuen Softdrinks aus den Vending machines. Oder Bier mit einer festen Schaumkrone. Und sasubee, ein Schirmhalter fürs Fahrrad oder den Rollator…

Und in die anderen Richtung gedacht: Gibt es etwas, dass du als die Produkt gewordene Vollendung der japanischen Handwerkskunst erachtest?

Verdammt schwierig zu entscheiden. Es gibt so viele wunderschöne Dinge. Sich hier festzulegen ist unmöglich. Ich liebe die kleinen, alltäglichen, auf den ersten Blick unscheinbaren Produkte… Sei es ein kleiner Reisstrohbesen oder eine Küchenbürste fürs Gemüse oder eine Handkaffeemühle

Abgesehen von deinem Shop: Wieviel Japan findet in deinem Alltag statt?    

Sehr viel, schon alleine durch meine Lebenspartnerin und unseren Sohn, welcher ja beide Welten in sich trägt. Fängt beim Essen an, geht weiter über Kindererziehung, unsere gemeinsamen und meine eigenen Freunde, welche uns regelmäßig aus Japan besuchen. Darüber hinaus habe ich ein Faible für japanische Filme, Musik und Literatur… Seit etlichen Jahren fahren wir alle zwei Jahre für 4 Wochen im Sommer in einen kleinen Teil Japans und bereisen diesen sehr intensiv zu Fuß, mit dem Zug, dem Bus. Bbleiben in kleinen Dörfern, nicht so bekannten Städtchen und lassen uns treiben und entscheiden spontan, wann und wohin es weiter geht bzw. wo wir länger bleiben. Es ist immer wieder schön, etwa eine Woche in einem kleinen Ort zu bleiben, man erlebt ihn so sehr intensiv. Hier entstehen auch gute Freundschaften.

Mehr von Volker Habermaaß

Heldbergs: https://heldbergs.com/

Bild: (c) Manga Art Hotel
Vorheriger Artikel
Manga Art Hotel
Emaille-Becher Tokyo no yoru
Nächster Artikel
Alltagsgegenstände aus der Schattenwelt
Zurück
TEILEN

10 Fragen an… Volker Habermaaß