Speziell für Mädchen verfasste Comicmagazine – die Shôjo Manga – stellen nur einen Teil der japanischen Comickultur dar. Sie entstanden vergleichsweise spät, doch sind sie heute zu einem wichtigen Bestandteil einer regelrechten „Kultur des Mädchens“ geworden. Auch wenn sie nicht einzigartig japanisch ist, so hat sie in Japan eine ungewöhnlich starke Ausprägung.
Wie unterscheiden sich Mädchencomics von all den anderen Comicgenre in Japan? Welches sind die speziellen Themen, die sie behandeln? Wie kommt es, dass sie einen eigenen Teil der japanischen Nachkriegskultur mitbegründeten? In welcher Weise spiegeln die Comics diese Kultur wieder? In welcher Weise beeinflußten sie die Kultur der Erwachsenen und die zeitgenössische Literatur? Wie veränderte sich das Mädchencomic im Laufe der Jahrzehnte? Diesen Fragen soll sich dieser Abriss widmen.
Merkmale der Comicmagazine für Mädchen
Verbreitung, Entstehung und Rezeption der Comicmagazine für Mädchen
Während vor dem Eintritt Japans in den Zweiten Weltkrieg Mädchenzeitschriften und Mädchenromane den Markt der Literatur für Mädchen beherrschten, dominierten die Mädchenzeitschriften seit dem Jahr 1955 diesen Markt. Da selbstverständlich auch die Mädchen und heranwachsenden Frauen von der schlechten wirtschaftlichen Lage Japans nach der Kapitulation betroffen waren, wurden die Mädchenzeitschriften in erster Linie durch Leihhäuser in Form von Leihbüchern verbreitet. Die Manga, die in diesen Zeitschriften abgedruckt wurden, richteten sich selbstverständlich nur an die begrenzte Zielgruppe „Mädchen“ .
Abbildung aus einem Shôjo-Manga Mit dem wachsenden Wohlstand entstanden 1963 die beiden Mädchenzeitschriften „Shûkan Mâgaretto“ und „Shûkan shôjo furendo“. Diese beiden Zeitschriften enthielten nicht nur Comics, sondern auch Artikel über Mode und andere Dinge, die Mädchen interessieren. Doch wurden in diesen beiden Zeitschriften die beliebtesten Comicserien der 60er, 70er und 80er Jahre abgedruckt. Seit den Jahren 1973/1974, mit denen das japanische Wirtschaftswachstum auf Grund des Ölschocks 1973 endete, entstanden die ersten eigenen Comiczeitschriften für Mädchen.
Heute fallen unter das Zielpublikum der Comics für Mädchen die weiblichen Jugendlichen im Alter von zehn bis achtzehn Jahren. Die vom Alter her nachfolgende, weibliche Lesergruppe wird von den sog. Lady´s Comics abgedeckt. Mitte der 90er Jahre, in der Blütezeit der Shôjô manga erschienen in Japan 44 verschiedene Mädchencomiczeitschriften. In jedem Heft werden normalerweise ca. 10 Serienteile verschiedener Autoren abgedruckt. Jedes Serienteil umfaßt ungefähr zwanzig Seiten. Wenn eine Serie sehr populär ist, wird sie nach Abschluß als Buch verkauft. Der Anteil der Mädchencomics an der Gesamtzahl der verkauften Comics liegt bei etwa 10 %, dies sind ca. 150 Millionen Exemplare pro Jahr. Comics für die Jungen (shônen manga) werden etwa viermal so häufig verkauft.
Die drei größten Comiczeitschriften für Mädchen sind „Ribon“, „Nakayoshi“ und „Magaretto“. „Ribon“ kann fast noch zu den Kindermagazinen gezählt werden und „Magaretto“ dagegen enthält schon Elemente des Frauencomic. Die Magazine enthalten zehn bis vierzehn Geschichten pro Band. Ihr Format ist doppelt so groß wie das der Comicmagazine aus den früheren Jahrzehnten. Jedoch sind auch die Bilder entsprechend größer, so dass sie nicht mehr Geschichten enthalten als die früheren Magazine. Jeder Band enthält auch mehrere ein- bis zweiseitige Comics.
Die bekanntesten VerfasserInnen und Titel von Shôjo Manga
TEZUKA Osamu, der den Charakter des japanischen Nachkriegscomics prägte, schuf auch die ersten Mädchencomics. Erst Ende der sechziger Jahre begannen diejenigen Frauen, die zuvor in ihrer Kindheit die Geschichten von TEZUKA Osamu gelesen hatten, selber Comics zu zeichnen und ihnen etwas spezifisch weibliches zu geben.
1953 publizierte TEZUKA Osamu den ersten Comic, der eine längere Geschichte erzählt und in dessen Handlungsmittelpunkt ein Mädchen steht. Der Comic hieß „Ribon no Kishi“ (Der Ritter mit der Schleife). Diese Geschichte handelt von einer Prinzessin, die in die Rolle eines Jungen schlüpfen muss, um ihr Anrecht auf den Thron zu verteidigen. Auch andere Männer zeichneten unter anderem für Mädchen, z.B. CHIBA Tesuya, ISHINMORI Shôtarô oder AKATSUKA Fujio. Sie zeichneten Mädchencomics solange sie nicht so erfolgreich waren wie mit ihren Comics für Jungen.
In den sechziger Jahren waren die Zeichnerinnen MIZUNO Hideko, WATANABE Masako, MAKI Miyako, NISHITANI Yoshiko und URANO Chikako erfolgreich und prägten den Mädchencomic weiblich. URANO Chikako zeichnete die erfolgreiche Serie „Attack No.1“, die vom Volleyballspiel handelt und MIZUNO Hideko zeichnete 1969 „Fire!“, eine Geschichte über einen Rockstar in den sechziger Jahren.
1972 erschien die Geschichte „Berusaiyu no Bara“ (Die Rose von Versailles), die von der Zeichnerin IKEDA Riyoko verfasst wurde. Die Geschichte spielt im Schloss von Versailles zur Zeit Marie Antoinettes und ihre Protagonisten sind den historischen Personen nachempfunden, so wie auch die einzelnen Geschehnisse. „Berusaiyu no Bara“ erschien 82 Wochen lang in „Shûkan Magaret“. Diese Geschichte war bei Mädchen und auch bei Frauen, Männern und Jungen sehr beliebt. Sie wurde verfilmt und mehrfach in Wandertheatern aufgeführt.
IKEDA Riyoko ist eine der bekanntesten Zeichnerinnen von Mädchencomics. Sie steht stellvertretend für viele Zeichnerinnen ihrer Generation. Sie wurde 1947 geboren und wuchs mit den Comics von TEZUKA Osamu auf. Ohne jemals eine Ausbildung zu erhalten, zeichnete sie seit ihrer Kindheit Comics. Nach einem abgebrochenen Studium hatte sie enormen Erfolg mit der oben genannten Geschichte. IKEDA Riyoko war in der Studentenbewegung politisch aktiv und somit tatsächlich Vertreterin einer neuen Generation.
Diese Generation von Comiczeichnerinnen nannte man auch die „Gruppe der 24er“. Ihr gehörten u.a. SATONAKA Machiko , MIUCHI Suzue, YAMAGISHI Ryôko und die sehr bekannte ÔSHIMA Yumiko an. Diese zeichnete seit 1970 die Serie „Tanjô“, die das Thema der Schwangerschaft behandelte und seit 1978 die erfolgreiche Serie „Wata no Kunihoshi“ (Planet aus Watte). 1976 veröffentlichte die Zeichnerin TAKEMIYA Keiko die Serie „Kaze to Ki no Uta“ (Das Gedicht von Wind und Bäumen) und 1972 erschien „Pô no Ichizoku“ (Die Familie Pô) von HAGIO Moto, die auch „Juichigatsu no Gimunajiumu“ (Gymnasium im November) zeichnete. Auch diese beiden Serien waren sehr erfolgreich und charakterisierten die Comics der „Gruppe der 24er“ Diese Zeichnerinnen erlangten einen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad, wie auch ein Einkommen und Ansehen in der Gesellschaft, wie es sonst nur bei Filmstars oder Popstars üblich war.
Noch von der Gruppe der 24er geprägt, aber raffinierter gezeichnet, ist die Geschichte „Sô Meikyû“ (Sôs Labyrinth) von der Zeichnerin UCHIDA Yoshimi. Sie erschien 1981. Eine andere bekannte Zeichnerin der achtziger Jahre ist OKAZAKI Kyôko, die unter anderem die Serie „Takarajimasha“ zeichnete. Auch bekannt wurden „Chibi Maruko-chan“ von SAKURA Momoko, das 1986 erschien und „Dôbutsu no Oisha-san“, das 1988 auf den Markt kam. In den achtziger Jahren dominierten schon die Vielzahl derjenigen Zeichnerinnen, die ihre Mädchencomics nach einem relativ einfachen Schema zeichneten, so dass sich keine von ihnen aus der Masse abhob.
So wie alle anderen Comics, so prägte TEZUKA Osamu auch die äußeren Merkmale der Mädchencomics. Sie glichen wie die anderen Comicarten eher dem Film als Bildern und arbeiteten mit Elementen, die dem Film entstammen, wie z.B. Nahaufnahmen, Perspektivänderungen und der Darstellung der Mimik von Personen. Die Personen hatten große, westliche Augen und Gesichter, die weder asiatisch noch westlich waren. Dass die Mädchen in den Mädchencomics extrem große und strahlende Augen – oft mit Sternen versehen – und lange, sehr schlanke Beine haben, ist auch auf TEZUKA Osamu zurückzuführen.
In „Ribon no Kishi“ werden die Figuren ohne Sexualität und sehr kindlich dargestellt. Auch in den Comics der sechziger und siebziger Jahre werden die Personen als geschlechtslose Wesen dargestellt. Erst in den achtziger Jahren treten Figuren mit geschlechtsbezogenen Merkmalen auf, bemerkenswerterweise sind die ersten von ihnen männliche Personen mit weiblichen Zügen. Die Heldinnen der Mädchencomics wurden seit den Anfängen mit offenem, langen wallenden Haar gezeichnet.
Die Cover der Comicmagazine für Mädchen sind zumeist in bunten Pastellfarben auf Glanzpapier gedruckt und zeigen Mädchen mit großen Augen und offenen Haaren. Die heutigen Comicmagazine für die Mädchen zeigen auch mehrere Personen und Werbung. Im Gegensatz zu den frühen Comicmagazinen aus den siebziger und achtziger Jahren enthalten die heutigen Magazine auch Werbeseiten vor und nach den Geschichten, auf denen u.a. Produkte angeboten werden, die mit den Heldinnen aus den Comics verziert sind.
Die einzelnen Seiten der Comics sind freier gestaltet als in den Comicmagazinen für die Jungen und für die Erwachsenen. Ihr Aufbau trägt zum Teil abstrakte Züge. Die Panels gehen in einander über und versuchen mit Hilfe zeichnerischer Feinheiten abstrakte Gefühle darzustellen. Oft wird mit einfachen Symbolen wie Licht, Blumen, Regen, Schnee, Sternen, usw. gearbeitet. So stellt z.B. Regen Traurigkeit dar, während Blumen für die Freude und Sterne für die Hoffnung einer Person stehen. Einsamkeit wird durch das Zeigen von Weite dargestellt. Auch die Mode beeinflusst die Darstellung von Personen.
Diese Darstellung der abstrakten Gefühle und der freie Umgang mit den Panels entwickelte sich in den siebziger Jahren und verstärkte sich danach. Wenn man drei Comics aus drei verschiedenen Zeiten – „na NO hanabatake no kochiragawa“ aus dem Jahre 1964, „yume miru koro o sugite mo“ aus dem Jahre 1977, „omoikkiri tomato“ von 1983 und „tennendômei“ von 1996 – miteinander vergleicht, so wird dies deutlich.
Das Comic aus dem Jahre 1964 arbeitet mit deutlich getrennten Panels, Schwarzweiß-Druck und wenigen wechselnden Perspektiven und nur einzelnen symbolhaften Elementen. Die Figuren sind kindlich und mit wenigen menschlichen Zügen gezeichnet. Der Hintergrund ist nur flüchtig oder komplett gar nicht gezeichnet.
Das Comic aus dem siebziger Jahren hält sich auch noch streng an die Ordnung der Panels und fängt erst an, mit Symbolen wie Weite, Dunkelheit und Sternen zu arbeiten. Die Personen sind menschlicher und tragen weibliche Züge.
Das Comic aus den achtziger Jahren arbeitet stark mit den übergroßen Augen, auch die männlichen Figuren tragen stark weibliche Züge. Insgesamt sind die Personen weniger realistisch dargestellt. Die Panels werden jetzt oftmals weggelassen, haben verschiedene Formen und gehen ineinander über. Der Hintergrund ist oftmals leer und eher durch symbolhafte Formen und Schattierungen ersetzt. Auch das Comic aus den achtziger Jahren ist noch in schwarzweiß gedruckt.
Das Comic aus dem Jahre 1996 letztendlich ist auf einfarbig buntem Papier sehr schlechter Qualität gedruckt. Es unterscheidet sich farblich von den anderen Geschichten in dem Magazin. Es ist zwar spärlich gezeichnet, nur vereinzelt taucht ein Hintergrund auf, dafür tragen die Personen eindeutig geschlechtsspezifische Züge und es werden bildlich Gefühle dargestellt.
Bemerkenswert ist auch, dass die Figuren, wenn sie wütend werden, im wahrsten Sinne des Wortes das Gesicht verlieren und ihre sonst so niedlichen Gesichter zu Fratzen werden. Im Gegensatz dazu werden seit den ersten Shôjo Manga und bis heute wenige chinesische Schriftzeichen (Kanji) verwendet, die wenigen, die auftauchen werden mit Hilfslesezeichen in Silbenschrift (Hiragana), sogenannten ofurigana, versehen, um das Lesen zu erleichtern. Diese Variante der japanischen Schrift wird auch hentai shôjo moji (Schriftvariante für Mädchen) genannt.
Thematische Merkmale der Shôjo Manga
Die Handlungsorte
„Ribon no Kishi“ spielt in einer europäischen Märchenlandschaft. In ihr verbindet sich Traumwelt und westliche Welt, ein Motiv, dass sich häufig in den früheren Mädchencomics findet und nicht als ein Art Minderwertigkeitskomplex der jungen Japaner gegenüber den Europäern ausgelegt werden darf. Es ist eher das Fremde, Ferne und Exotische, das hier Wirkung erzielen soll.
Auch die wirtschaftliche Situation beeinflusste die Wahl des Schauplatzes der Mädchencomics in den Nachkriegsjahren. So handeln viele Comics aus dieser Zeit von reichen, europäischen Mädchen, die keine wirtschaftlichen, sondern nur Probleme auf Grund der Verweigerung der Liebe durch die Eltern haben. Die Probleme der japanischen Mädchen wurden sozusagen umgekehrt dargestellt. So konnten diese sich sowohl mit der Person in den Manga identifizieren, als auch ihre eigenen Probleme für einen Zeitraum vergessen.
Die Geschichten der Zeichnerin MIZUNO Hideko aus den sechziger Jahren spielen auch noch ausnahmslos im westlichen Ausland. Einige Serien ihrer Kolleginnen spielen zwar in Japan, allerdings unter wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, wie sie eher in Europa anzutreffen waren. Die ersten Comics für Mädchen, die ihren Schauplatz in der Schule finden, spielen in den sechziger Jahren noch in amerikanischen High Schools, so wie „Marii Rû“ (Mary Lou) von NISHITANI Yoshiko. Das aus dem Jahre 1966 stammende „Remon to Sakuranbo“ spielt allerdings schon in einer japanischen High School.
Die erfolgreiche Geschichte „Berusai no Bara“ spielt an historischen Schauplätzen. Die Zeichnerin IKEDA Riyoko hat sie gut recherchiert, und doch ergibt sich aus japanischer Sicht eine Art Traumwelt, in die sie sich auf Grund der Handlungen und Gefühle der Personen hineinversetzen können.
Auch andere Comics der „Gruppe der 24er“ spielen in einem europäischen Umfeld, zum Beispiel die Geschichte „juichigatsu no gimunajiumu“ von HAGIO Moto. Diese ist an einem Gymnasium in der hessischen Stadt Gießen abgesiedelt. Anders als bei den Versailles-Comics handelt es sich hierbei aber nicht um recherchierte Schauplätze, sondern um freie Erfindungen der Zeichnerin.
Viele Comics der siebziger und achtziger Jahre hingegen spielen in Japan. Hierzu gehörenso berühmte Comics wie „Wata no Kunihoshi“ oder „Dôbutsu no Oishasan“. In den neunziger Jahren konzentrieren sich die Shôjo Manga fast ausschließlich auf Geschichten, die in der Alltagswelt eines japanischen Mädchens spielen.
Die Personen
Im Zentrum der Handlung steht selbstverständlich immer ein Mädchen. Je nachdem für welches Zielpublikum der Comic beziehungsweise das Comicmagazin gedacht ist, variiert das Alter des Mädchens. So ist auch rückwirkend für einen Ausländer (von Japan aus gesehen) leicht zu erkennen, für welche Altersgruppe ein Comicmagazin gedacht ist.
Diese Mädchen sind oft passiv. Das Hauptziel einer jeden Comicheldin scheint darin zu bestehenden, jemanden zu finden, der ihr Leben bestimmt. Ihnen stehen Jungen zur Seite, die in den fünfziger und frühen sechziger Jahren noch als „Traummann“ stilisiert wurden und mit den siebziger und achtziger Jahren sich in den „prima Jungen von nebenan“ wandelten.
Aber nicht nur Mädchen sind in den Comics zu finden. Auch männliche Jugendliche spielen eine Rolle. So wie in HAGIO Motos „Jûichigatsu no giminajiumu“ treten sie oft in Szenen der homosexuellen Liebe auf (sogenannte shônenai). Wie zuvor erwähnt tragen sie oft sehr weibliche Züge.
Ein sehr häufiges und gleichermaßen interessantes Motiv ist das Mädchen in Jungenkleidern. Schon die Prinzessin in „Ribon no Kishi“ wandelt sich in einen Jungen, um ihr Königreich zu retten. Die Hauptfigur in „Berusaiyu no Bara“ ist Oscar, auch ein Mädchen in Jungenkleidern. Dieses Phänomen wird oft interpretiert als die Flucht des Mädchens aus der Enge seiner Möglichkeiten als Mädchen.
Die Familie, die ja natürlicherweise zu einem jungen Mädchen dazugehört, spielt oft eine untergeordnete Rolle. Das Mädchen ist eher frei – im positiven wie im negativen Sinne. Die Rolle der Mutter als heiliges Idealbild ist nicht unüblich. Thematisch kommt es häufig vor, dass die Mutter einer Heldin verstorben ist und der Rest der Familie dem Mädchen kein Verständnis entgegenbringt.
Handlungsabläufe
Die Japanologin Dr. Megumi Maderdonner teilt die Comicgeschichten für Mädchen wie folgt ein:
1. Gespenster und Horrorgeschichten, die von einem erschreckenden Erlebnis der Heldin erzählen
2. Nonsense Komödien, die unrealistische Geschichten mit unlogischer Handlung erzählen
3. Science-Fiction und Märchengeschichten, die in einer fernen Welt spielen
4. Erzählungen über Männer und ihre Welt, über die das Mädchen nichts weiss
5. Sport- oder Berufsgeschichten, in denen ein Mädchen mit Sport oder einem Beruf seine Jugend verbringt
6. Alltagsgeschichten über Liebe und Glück
Die Geschichten über die Liebe, die im Alltagsleben spielen, werden am liebsten von den japanischen Mädchen gelesen. Allerdings hat sich die Definition dessen, was Liebe und Glück ist, im Laufe der Jahrzehnte verändert. Vom Ideal des glücklichen Familienlebens in den Fünfzigern und die Schaffung eines solchen in den Sechzigern über das Finden des Idealpartners in den Siebzigern bis zu der alltäglichen Liebesgeschichte in den Achtzigern, veränderte dessen Definition.
Die Geschichten, die um den Sport kreisen, erlebten einen Boom in den Jahren nach 1964, in dem die japanischen Nationalmannschaft im Hockey eine Goldmedaille erhielt. Auch andere, äußere Umstände, wie die Studenten- und Hippie-Bewegung der sechziger Jahre, erhielten Einzug in den thematischen Kanon der Shôjo Manga.
Einige neuere Geschichten konzentrieren sich auf Handlungen, die auch bei Jungen auf Interesse stößt. Ein populäres Beispiel ist die Geschichte eines Tierarztes in „Dôbutsu no Oishasan“. Diese Veränderung ist auch damit zu erklären, dass oft Jungen Mädchenmagazine lesen, beziehungsweise Geschichten aus Shôjo Manga in Shônen Manga übernommen werden.
Soziologisch interpretierbare Merkmale der Mädchencomics
Sexualität
Shôjo Manga enthalten im Gegensatz zu den Erwachsenencomics und den Jungencomics, weder Gewalt- noch Sexszenen. Grundsätzlich sind die Personen, wie oben schon beschrieben, oft ohne sexuelle Merkmale gezeichnet, sozusagen asexuell. Dies bedeutet aber nicht, dass die körperliche Liebe kein Thema ist. So ist die homosexuelle Liebe zwischen recht weiblich anmutenden Jungen ein sehr beliebtes Thema. Auch körperliche Liebe zwischen zwei Mädchen wird des öfteren thematisiert.
Es scheint, als ob die Mädchen, die noch nicht bereit sind, Teil des Lebens der Erwachsenen zu werden, ihre ersten sexuellen Gefühle auf gleichgeschlechtliche Personen projezieren, auf eine Beziehung, die nicht, wie in der japanischen Gesellschaft durchaus noch üblich, die Frau in eine ganz bestimmte Rolle drängt. Es wird auch vermutet, dass die homosexuelle Liebe in den Mädchencomics die Zweigeteiltheit der Seele des Mädchens symbolisiert, das weder Frau, noch Kind ist. Tatsache ist, dass vor allem die Zeichnerinnen der siebziger Jahre in den Mädchencomics ein Medium fanden, in dem tabuisierte Themen wie Homosexualität und Gefühle heranwachsender Mädchen dargestellt werden konnten, ohne dass ein Skandal ausgelöst wurde.
Es mag auf der Hand liegen, in dieser Darstellung der Sexualität eine Art von Befreiung zu sehen. Das häufige Auftauchen einer vollkommen androgynen Person in den Shôjo Manga und deren Bewunderung durch die Heldin zeigen jedoch, dass das Ideal der Frau noch nicht die frei über ihre Sexualität bestimmende Frau, sondern die asexuelle, reine und erduldende Frau ist, die häufig in dem Bild der Mutter symbolisiert wird.
Mädchencomics und YOSHIMOTO Banana
Die 1964 geborene YOSHIMOTO Banana, Tochter des großen Nachkriegs-Intellektuellen YOSHIMOTO Takaaki, veröffentlichte 1987 ihr Debutwerk „Kitchen“, das sehr schnell sehr viele Leser fand – auch international. Während sie hiermit einige Preise einheimste, hagelte es auch massive Kritik. Der wichtigste Kritikpunkt bezog sich auf die Nähe des Romans zum massenmedialen Shôjo Manga. John Wittier Treat bezeichnet YOSHIMOTO Banana gar als „shôjo novelist“.
YOSHIMOTO Banana selbst hat in Interviews und Aufsätzen darauf hingewiesen, dass ihre Romane in erster Linie von der Lektüre der Mädchencomics beeinflußt wurden. Tatsächlich weisen ihre Romane viele Motive auf, die in den Mädchencomics häufig vorkommen. Beispiele hierfür sind die Transsexualität, das Thema der verlorenen Eltern, die asexuelle Liebe und die homosexuelle Liebe und der Kampf des Mädchens gegen den Eintritt in die Erwachsenenwelt.
Die Beliebtheit der Romane von YOSHIMOTO Banana sowohl bei Mädchen als auch bei weiten Teilen der Gesellschaft ließ die Schriftstellerin bereits in jungen Jahren zu einem Phänomen werden – und die Shôjo-Kultur zu einem interessanten Forschungsgegenstand.
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