Entstehung von Druck und Verlagswesen

Vom Tempeldruck zum Massenkulturgut

Entstehung von Druck und Verlagswesen

Die ersten überlieferten Druckerzeugnisse in der Geschichte Japans entstanden im achten Jahrhundert. Dies waren buddhistische Traktate, die mit Holzblöcken oder Metallplatten auf große Papierbögen gedruckt wurden, und von denen die wichtigsten Tempel oft bis zu 100.000 Exemplare besaßen.

Bis auf einige Ausnahmen privater Druckprojekte (von buddhistischen Tempeln in Nara und Kyôto im 11. und 13. Jahrhundert) fanden seitdem mehrere Jahrhunderte lang fast keine Aktivitäten im Druckbereich statt. Erst Ende des 16. Jahrhunderst bildeten neue Impulse aus dem Ausland, die auf eine veränderte gesellschaftliche Situation im Inland trafen, den Anfangspunkt für eine rasante Entwicklung des Buchdrucks außerhalb der Tempel und die Ausbildung eines literarischen Marktes, an dem alle Bevölkerungsschichten teil hatten.

Der Druck-Boom in der Edo-Zeit: Die gesellschaftliche Ausgangssituation

Japan war seit der Schlacht bei Sekigahara im Jahre 1600 und der Machtübernahme TOKUGAWA Ieyasus (1542-1616) im Jahre 1603 ein geeintes Reich, in dem relativer Frieden und eine straffe politische Ordnung herrschte.
Der neue Shôgun Ieyasu bemühte sich, dem durch Jahrhunderte von Krieg kämpferisch gestimmten Volk neue Aufgaben im kulturellen Bereich zukommen zu lassen. Die Samurai (Schwertadlige) zum Beispiel wurden per Gesetz dazu aufgefordert, in den literarischen Künsten (bun) ebenso kundig zu sein wie in den militärischen Künsten (bu). Ieyasu zeigte sich auch persönlich an Kontakten zu buddhistischen Priestern und konfuzianischen Gelehrten interessiert; vor allem, um sich deren Lehren für die Sicherung der Staatsordnung zunutze zu machen.

Gesellschaftlich hatten sich auch Änderungen ergeben. Die Samurai waren im relativ gesicherten Frieden praktisch ‘arbeitslos’ und hatten viel Zeit, anderen Beschäftigungen nachzugehen. Gleichzeitig verschlechterte sich deren finanzielle Situation, da die festen, in Reis bezahlten Einkommen in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums an Wert verloren. Die Samurai näherten sich in ihrem Lebenstil den chônin (Bürgern) an.
Die chônin, zu denen Handwerker und Händler gezählt wurden, waren als unterste Klassen des Vier-Klassen-Systems der Edo-Zeit politisch völlig machtlos, wurden aber auch wenig reglementiert. Es bestand also viel Freiraum für wirtschaftliche Aktivitäten. In den Städten begann ein schnelles wirtschaftliches Wachstum, aufgrund dessen die chônin immer wohlhabender wurden und damit steigende Bedürfnisse in allen Lebensbereichen innerhalb des Stadtlebens äußerten. Die gesteigerte Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen weitete sich auch auf den kulturellen Bereich aus, und es entwickelte sich eine lebendige Stadtkultur mit Theatern, Freudenvierteln und auch Verlagen und Buchhandlungen.

Ein entscheidendes Merkmal der Edo-Gesellschaft war die rasche Verbreitung der Fähigkeit, zu lesen, zu schreiben und zu rechnen. Für die städtischen Bürger wurden solche Grundkenntnisse unerlässlich, um sich bei größer werdender Konkurrenz im Geschäftsleben behaupten zu können. Es lag im Interesse der chônin, auch ihren Kindern, die das Geschäft einmal übernehmen sollten, eine entsprechende Bildung zukommen zu lassen. Bisher hatten fast nur Kinder aus Hof- und Schwertadel spezielle Schulen besuchen können, unter dem Tokugawa-Shôgunat etablierten sich nun aber die terakoya, Grundschulen für das einfache Volk. Diese Schulen, ursprünglich in der Muromachi-Zeit (1392-1573) an buddhistischen Tempeln entstanden, wurden in der Edo-Zeit meistens privat geführt. Die Lehrer waren Bürgerliche, aber auch Samurai, rônin (herrenlose Samurai), buddhistische Mönche oder Shintô-Priester.
Was ursprünglich nur als ‘Handwerkszeug’ für praktische Anwendung dienen sollte, führte in der städtischen Bürgerschicht zu einem immer größer werdenden Streben nach mehr und höherem Wissen.

Einführung und Etablierung des Druckgewerbes:Der Typendruck als Initialzündung

Der Impuls, der im fruchtbaren Umfeld der Tokugawa-Gesellschaft den literarischen ‘Boom’ bewirkte, ist die Einführung des Typendrucks (Druck mit beweglichen Buchstaben) nach Japan. Die neue Technik kam auf zwei Wegen in das Land: durch portugiesische Jesuiten und über den Feldzug TOYOTOMI Hideyoshis (1536-1598) nach Korea.
Die Jesuiten waren schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts missionarisch in Japan tätig gewesen. Da der Bedarf an Büchern immer größer wurde, einerseits um die Lehre zu verbreiten, andererseits, um Japanisch zu lernen, brachte man im Jahre 1590 aus Portugal eine Druckpresse, die mit dem Typendruck-Verfahren arbeitete. Aus einer etwa 20 Jahre dauernden Druckaktivität gingen die kirishitanban (Christen-Drucke) hervor. Dies waren nicht ausschließlich christliche Schriften, sondern beispielsweise auch Fabeln von Äsop oder das „Heike monogatari“ (Anfang 13.Jh.). Man druckte auf Latein, Portugiesisch, Romaji-Japanisch (latinisierte Umschrift des Japanischen) oder Japanisch. Die kirishitanban wurden von der japanischen Bevölkerung angenommen, deren Einfluss auf den japanischen Buckdruck war jedoch nicht sehr groß.

Weitreichende Folgen für die Druckaktivitäten in Japan hatte der Korea-Feldzug TOYOTOMI Hideyoshis im Jahre 1592. Militärisch endete der Feldzug als Katastrophe, aber die Soldaten brachten eine Errungenschaft mit nach Japan: Druckpressen mit kompletten Sätzen beweglicher Buchstaben.
In der darauf folgenden Zeit wurden von offizieller Seite verschiedenste Druckvorhaben in Auftrag gegeben. Der tennô Go-Yôzei (1586-1611) ließ edle Drucke chinesischer Klassiker, die sogenannten chokuhan, herstellen. Der Shôgun war Auftraggeber für Drucke (kampan) chinesischer Klassiker und Werken zu Geschichte, Kriegsführung oder Staatsphilosophie. Diese offiziellen Druckaufträge waren jedoch nicht für das Volk gedacht, sondern hauptsächlich als teure ‘Schmuckstücke’, die in Regierungskreisen kursierten.

Die buddhistischen Tempel übernahmen die neue Technik und, da die Mönche über eine entsprechende Bildung sowie genügend Zeit und finanzielle Mittel (oder zumindest die Methoden des Fundraising) verfügten, dominierten sie die ersten Jahrzehnte im Bereich des Buchdrucks. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr private Druckaufträge in Kooperation mit Tempeln ausgeführt, welche auch für Nichtreligiöse Anreiz als Produktionsstätten boten. Diese Druckaufräge waren zunächst keine verlegerisch-kommerziellen Unternehmungen, sondern vielmehr Liebhaberdrucke von hochgebildeten und vermögenden Leuten. Allerdings stellten sich Produktionen, die aus reinem Interesse begonnen worden waren, oft als so profitabel heraus, dass sie aus kommerziellen Motiven weitergeführt wurden.

In den Jahren 1608 bis 1615 wurden im Typendruckverfahren die ersten Drucke weltlicher japanischer Klassiker gefertigt. HONAMI Kôetsu (1558-1637), ein berühmter Kalligraph und Maler seiner Zeit, und dessen Partner SUMINOKURA Soan (1571-1632) waren die treibenden Kräfte beim Druck dieser sogenannten sagabon (Saga war das Dorf bei Kyôto, in dem Soan lebte). Mit den sagabon wurden ausserdem zum ersten mal Bücher gedruckt, die Illustrationen im japanischen Stil enthielten. Unter ihnen waren zum Beispiel das „Ise monogatari“ (1. Hälfte des 10.Jh.) oder das Tsurezuregusa (1330/31).

Kommerzialisierung

Ab Mitte der 20er Jahre des 17. Jahrhunderts stieg die Zahl der privaten Druckunternehmungen mit Verlegertätigkeiten stetig an. Standardversionen der Klassiker, die in verschiedenen Manuskripten überliefert waren, bildeten sich heraus. Zum ersten Mal wurden Schriften extra im Hinblick auf eine Publikation geschrieben. Titel- und Auflagenzahlen stiegen um ein Vielfaches an. Die neuen Dimensionen im Bereich des Buchdrucks warfen für die Aktiven einige Probleme auf.
Sowohl für höhere Auflagen bzw. Neuauflagen als auch für die japanische Schrift, eine Mischform aus Silbenschrift (kana) und chinesischen Zeichen (kanji), die immer mehr die rein chinesische Schrift im Druck ersetzte, stellte sich das komplizierte und teure Typendruckverfahren als denkbar ungeeignet heraus. Wenn bei steigendem Bedarf nach bestimmten Büchern Nachdrucke erforderlich waren, mussten für viel Geld neue Buchstaben hergestellt und die Drucktypen wieder aufwendig zusammengesetzt werden.
Außerdem war die japanische kana-Schrift fast immer kursiv und mit vielen Ligaturen geschrieben, also mit einzelnen Druck-Buchstaben nur schwer umzusetzen.
Etwa ab Mitte des 17. Jahrhunderts griff man daher wieder auf das traditionelle Blockdruckverfahren zurück, das viele Vorteile für den kommerziellen Druck bot:

  • Insgesamt waren höhere Auflagen möglich, da die Holzplatten zur damaligen Zeit robuster waren als die Buchstabensätze
  • Neuauflagen waren leichter durchführbar, da man die Druckplatten wiederholt einsetzen konnte, während die knapp bemessenen Typensätze wieder auseinandergenommen werden mussten
  • Text und Illustrationen ließen sich in einem Arbeitsgang desselben Verfahrens herstellen und so beliebig kombinieren; den Lesern konnte ein zusätzlicher Leseanreiz geboten werden
  • Der Druck mit Holzplatten bot die Möglichkeit, sogenannte furigana, Lesehilfen für  kanji, problemlos in den Druck einzugliedern. Die furigana machten schwierige Literatur auch dem einfachen Leser mit geringen kanji-Kenntnissen zugänglich und übten überdies einen Lerneffekt in dieser Hinsicht aus. furigana sind auch heute noch in manchen Comicreihen üblich. Sie finden sich zum Beispiel auch in den Comics für Jungen und den shôjo-Manga genannten Mädchencomics

Der Typendruck-Boom war in Japan eine wichtige Stimulation für das Entstehen einer großen Druckindustrie. Der Typendruck ist jedoch, weil er für große Auflagen noch nicht geeignet war, ein Opfer seines eigenen Erfolges geworden.

Die drei Druck-Metropolen

Das gesamte Japan der Edo-Zeit stand im Zeichen des Wachstums: wirtschaftlich, bevölkerungstechnisch, kulturell. Die rasche Entwicklung konzentrierte sich vor allem auf die drei Metropolen Kyôto, Ôsaka und Edo (das heutige Tôkyô).

Kyôto, welches seit Ende des achten Jahrhunderts ständiger Sitz des Kaisers gewesen war, stellte vor Beginn der Edo-Zeit das wichtigste Zentrum der politischen Macht dar. Die Stadt war zudem Vorreiter in der Textilindustrie. Es war die einflussreichste kulturelle Stätte Japans, da die meisten religiösen Schulen hier ihre Zentralen errichtet hatten. Aufgrund der hohen Konzentration von Wissen und Macht in Kyôto kamen viele Zuwanderer dorthin, um zu studieren oder auch um zu produzieren.

Ôsaka war im siebten Jahrhundert kurz Kaiserstadt gewesen, danach aber zusehends verfallen. Erst im 16. Jahrhundert erlebte es unter TOYOTOMI Hideyoshi, der die Burg Ôsaka errichten ließ, ein Wiederaufblühen urbaner Aktivitäten. Anfang des 17. Jahrhunderts ging die Stadt in die Hände der Tokugawa-Regierung über, die die Burg zerstörte, jedoch umfangreiche, städteplanerische Projekte in Angriff nahm. Infolgedessen entwickelte sich Ôsaka schnell zu einer Metropole, die hauptsächlich wirtschaftliche Macht demonstrierte. Neue Schiffahrtsrouten trugen dazu bei, dass die Stadt zum Handelszentrum Japans wurde, was wiederum Zuwanderer anlockte. Es entwickelte sich ein starkes, aufstrebendes Bürgertum.

Edo, ab 1590 Regierungssitz TOKUGAWA Ieyasus und ab 1603 mit Ieyasu als Shôgun politische Hauptstadt, entwickelte sich von einer kleinen Siedlung im relativ unbedeutenden Osten Japans zu einer der größten Metropolen der Welt. Durch das sankin kôtai-System, der turnusmäßigen Anwesenheitspflicht der daimyô in Edo, kamen sowohl Leute als auch Geld aus den Provinzen in die Stadt. Die gesteigerte Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen regte die Bürger von Edo dazu an, ab Beginn des 18. Jahrhunderts die Güter, die vorher aus dem Westen des Landes bezogen wurden, selbst zu produzieren.

Die Stadt nahm immer größere Ausmaße an und war schon im frühen 18. Jahrhundert mit über einer Million Einwohnern die größte Stadt Japans. In Kyôto lebten zur selben Zeit etwa 350.000 bis 400.000 Menschen, Ôsakas Bevölkerung betrug ungefähr 400.000.
Zu Beginn der Edo-Zeit, ab den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts, nahm Kyôto als traditionelle Kulturstadt die führende Rolle im Bereich des Druck- und Verlagsgewerbes ein. Ab den 1660ern fand eine Ausweitung in Richtung Ôsaka statt, während in Edo zu dieser Zeit lediglich ein Markt für Bücher aus der kamigata-Region (Kyôto und Ôsaka) existierte.

Man kann insgesamt davon ausgehen, dass es im 17. Jahrhundert in Kyôto ungefähr dreimal soviele Verlagshäuser gegeben hat wie in Ôsaka und Edo zusammen. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts hat sich dann eine Art Gleichgewicht zwischen den drei Metropolen eingependelt, während dann ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Edo etwa soviele Verlage existiert haben, wie in Kyôto und Ôsaka zusammen.
Edo hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Buchproduktion vorzuweitsen, die sogar zweimal so groß war wie die der Kamigata-Region und ist seitdem, bis in die Gegenwart, der Ort der meisten Publikationen in Japan geblieben.

Die Produktion

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts etablierte sich das Gewerbe der honya, allgemein als ‘Verlagsbuchhändler’ übersetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte sowohl die Produktion als auch der Verkauf von Büchern. Zu dieser Zeit fanden sich immer mehr bürgerliche Namen in den Kolophonen der Bücher (okugaki) und zeigten, dass sich die Tätigkeit des Druckens und Verlegens aus der Sphäre der Klöster und Höfe in den Bereich des gewerbetreibenden Volkes verlagert hatte.
Die okugaki sind die einzigen Quellen, die konkrete Informationen über die Verleger liefern. Aus Namen, Daten und Adressen können einige Schlüsse gezogen werden: Die Verlagsbuchhändler gehörten der Klasse der chônin an. Es wird deutlich, dass die meisten honya Familienbetriebe mit einigen Angestellten waren, die von Vater zu Sohn weitergegeben wurden. Die Verlagsbuchhandlungen waren meist zentral innerhalb einer Stadt gelegen, oft in der Nähe eines Tempels oder Schreins, wo es viel Laufkundschaft gab.

Schon kurz nach der Etablierung der honya schlossen sich diese zu sogenannten nakama zusammen, eine Art Gewerkschaft, die sich vor allem um Fragen des Copyright bemühten.
Der Verleger der Edo-Zeit war in seinem Geschäft für sämtliche Arbeitsgänge von der Herstellung des Druckstocks bis hin zum Verkauf verantwortlich. Die Produktion von Büchern beruhte nicht auf Maschinen und großen finanziellen Investitionen, sondern vor allem auf handwerklichem Können.

Die Bücher kosteten für die Bürger der damaligen Zeit ein Vermögen. Bereits ein einfach gebundener, romantischer Liebesroman kostete einen chônin etwa dasselbe wie Lebensmittel für einen Monat. Vor diesem Hintergrund etablierten sich ab Ende des 17. Jahrhunderts die kashihonya, Leihbüchereien, die meistens umherzogen und Bücher für einen Bruchteil des Originalpreises verliehen. Im Jahre 1808 soll es in Edo 656 kashihonya gegeben haben, um 1830 sogar rund 800.
Nach einem großen Aufschwung in der Buchdruck-Industrie ist mit den kashihonya, die auch finanziell minder bemittelten Bürgerschichten Zugang zu Büchern ermöglichten, die Literatur in der Edo-Zeit zu einem Massenmedium geworden.

Marketing in der Edo-Zeit

Über die Persönlichkeiten der einzelnen Verlagsbuchhändler gibt es kaum Informationen, über deren Wirken in Eigenschaft als Geschäftsmann hingegen ist einiges bekannt. Die honya-san scheinen insgesamt ziemlich geschickte ‚Werbestrategen‘ gewesen zu sein, die es verstanden haben, sich dem Publikumsgeschmack, der vor allem in Edo sehr schnell wechselte, anzupassen, und dadurch höhere Verkaufszahlen zu erwirtschaften.
Ein Mittel, um Bücher für die Leser attraktiv zu machen, waren zum Beispiel Illustrationen. Die Entwicklung des Buchdrucks geschah in enger Verbindung und Wechselwirkung mit der Entwicklung des Holzschnittes. In bestimmten Genres der Erzählprosa der Edo-Zeit (z.B. kusazôshi), ist der Bildanteil genauso hoch wie oder höher als der Textanteil. Die Buchumschläge wurden immer aufwendiger koloriert, nachdem sich diese Art der Werbung als großer Erfolg herausgestellt hatte. Manche Bücher oder Hefte wurden sogar hauptsächlich wegen ihrer äußeren Gestaltung gekauft.
Ein anderes Phänomen, das als ‘Werbestrategie’ der Verlagsbuchhändler ausgelegt werden kann, ist das Anhängen an Markterfolge von Büchern mit erkennbar verwandter Thematik und Form.
Auch im Titel schlug sich die Orientierung an Bestsellern (atarisaku) nieder. An den Erfolg des „Tsurezuregusa“ beispielsweise hat eine Reihe von Werken mit dem Titelbestandteil „-gusa“ angeknüpft, aber auch Werke, die sich zum Beispiel allgemein mit dem Thema ‘Freudenviertel’ befaßten, wurden nach Verkaufserfolgen immer wieder nachgeahmt.
Ein weiteres Mittel, mit dem sich die Geschäftsleute der honya ihre Kundschaft sicherten, waren Fortsetzungsreihen (tsuzukimono). Normalerweise wurde jedes Jahr zum Neujahrstag ein neuer Band herausgegeben; die einzelnen Teile waren also relativ unabhängig voneinander rezipierbar, kreisten jedoch um ein gemeinsames Grundmotiv.

Die Rolle des Autors

In der gesamten Edo-Zeit waren Autoren fast ausschließlich Angehörige der Samurai-Klasse (abgesehen von einer berühmten Ausnahme, dem ukiyozôshi-Autor IHARA Saikaku (1642-1693), der aus bürgerlichen Verhältnissen stammte).
Zu Beginn der Edo-Zeit fanden Autoren oft keine Erwähnung im Buch. Der Verleger galt gleichzeitig als Verfasser, während die Schriftstellerei als eine Art ergänzende Handwerkskunst angesehen wurde. Verfasser arbeiteten oft mit einzelnen Verlegern zusammen, produzierten auf deren Auftrag hin und wurden unregelmäßig bezahlt oder stattdessen auch oft im Haus der Verleger komplett ausgehalten.
Die meisten Schriftsteller der Edo-Zeit waren weit davon entfernt, von ihrem Gehalt einen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Als erste professionelle Autoren, die von ihrem literarischen Verdienst leben konnten, werden SANTÔ Kyôden (1761-1816) und ASAI Ryôi (1612?-1691) angesehen.

Die Leserschaft

Die Bildungsvoraussetzungen im Bürgertum stellten für die Entwicklung eines literarischen Marktes eine optimale Grundlage dar. Für Edo wird geschätzt, dass im Jahre 1868 etwa 80% der Männer und 50% der Frauen lesen und schreiben konnten.
Literatur richtete sich, besonders in Edo, zunächst überwiegend an Männer aus dem Schwertadel und dem Bürgertum. Frauen, hingegen, wurden erst später als Zielgruppe entdeckt.
Die Leser der Edo-Zeit entwickelten schnell einen beinahe unersättlichen Wissensdurst nach Informationen sämtlicher Art. Literatur wurde in Massen produziert und konsumiert.
Man las in der Edo-Zeit vornehmlich zu Hause. Mit den kashihon’ya hatte sich zwar ein Pendant zu unseren heutigen Leihbüchereien etabliert, öffentliche Lesesäle gab es in Japan jedoch erst nach der Meiji-Restauration (1868). Ein Grund hierfür wird darin gesehen, dass in der Edo-Zeit keine aktuellen Tageszeitungen erlaubt waren. Vor allem die Kurzlebigkeit der Zeitungen hatte nämlich in anderen Metropolen der Welt, zum Beispiel Paris, einen Bedarf an öffentlichen Lesesälen geweckt.
Was die individuelle Art des Lesens betrifft, so wird vermutet, dass im Japan der Edo-Zeit bevorzugt laut gelesen worden ist. Das ‘Still-Lesen’ sei in Haushalten der damaligen Zeit eher als ein unsozialer Akt angesehen worden.

Kontrolle und Zensur

Das bakufu, die Shôgunatsregierung der TOKUGAWA, stand zu Beginn der Edo-Zeit dem immer höher werdenden Bildungsstand auch unterer Schichten eher negativ gegenüber. Bauern und Bürger sollten sich vor allem auf die Produktion von Nahrungsmitteln und das Verrichten von Dienstleistungen konzentrieren und nicht ‘auf dumme Gedanken kommen’. Später begann die Regierung aber sogar, die Bildungsbemühungen der chônin zu unterstützen, da klar wurde, dass die Fähigkeit, zu lesen, die Bürger dazu befähigte, gesetzliche Verordnungen zu verstehen und (größtenteils) zu respektieren.

Das Druck- und Verlagsgewerbe der Edo-Zeit hat insgesamt stark unter der Kontrolle der Regierung gestanden.
Im Jahre 1657 wurden die nakama, die Genossenschaften, zunächst verboten, da die Regierung einen freien Wettbewerb aufrechterhalten wollte. Das Verbot hatte allerdings keinen Erfolg. Im Jahre 1721 erkannte das bakufu die Zusammenschlüsse offiziell an, auch, weil man sich durch eine Kooperation mit diesen mehr Kontrolle über wirtschaftliche Vorgänge erhoffte.

Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte das bakufu immer wieder Verbote und Kontrollbestimmungen über die Herausgabe von Bücher erlassen. Im Jahre 1790 kam es zu besonders strengen Verordnungen. Verboten waren zum Beispiel sämtliche Drucke, inklusive Farbholzschnitte, die aktuelle Themen aufgriffen. Illegal waren auch Bücher mit erotischem Inhalt und das Verbreiten von Gerüchten auf gedrucktem Wege. Weiterhin verstieß es gegen das Gesetz, teure, luxuriöse Bücher sowie mehrfarbige Holzschnitte zu verkaufen. Außerdem sollte für sämtliche Drucke eine Genehmigung von staatlicher Seite eingeholt werden, und sowohl Verfasser als auch Herausgeber sollten im Buch genannt sein.

Grundsätzlich sind in der Edo-Zeit drei verschiedene Gruppen von literarischen Werken immer wieder zensiert worden:

  1. Werke, in denen über das Christentum bzw. das Ausland berichtet wurde,
  2. Werke, die als gefährlich für die Stabilität des Staates angesehen wurden und
  3. Werke, die als schädlich für die Moral betrachtet wurden.

Das Verbot, aktuelle Themen in den Printmedien zu behandeln, hatte zur Folge, dass bis auf wenige, unregelmäßige ‘Blättchen’ keine Tageszeitungen existierten. Allerdings wurde dieses Verbot in der Literatur, wie auch im Theater, gern umgangen, indem aktuelles Geschehen in eine andere Zeit versetzt wurde und Personen andere Namen erhielten.
Es heißt, dass das bakufu bei der Durchsetzung der Verbote nicht unbedingt hart und systematisch vorgeging, sondern nur von Zeit zu Zeit (zur Abschreckung) ein Exempel statuierte. Insgesamt kann man aus der fast unüberschaubar großen Zahl von Kontrollmaßnahmen schließen, dass die Bürger Edos trotz aller Bevormundung immer wieder versuchten, ihre Meinung frei zu äußern, ohne Verbot und Strafe zu scheuen.

Der Beginn der Informationsgesellschaft

In der Edo-Zeit wurde der Grundstein für Japan als ‘Informationsgesellschaft’ gelegt.
Fast die gesamte gedruckte Literatur der Edo-Zeit ist Massenware, Literatur zum Konsumieren gewesen, und wird als gesaku bungaku („im Spaß geschriebene Literatur“), oft pauschal abgewertet. Dabei wird vergessen, dass die ‘leichte Kost’ der Edo-Zeit entscheidend dazu beigetragen hat, dass Literatur von einem Privileg der Elite zur Massenkulturar geworden ist.

Die neuen Formen des Journalismus in der Meiji-Zeit haben dem Druck- und Verlagswesen der Edo-Zeit ein Ende gesetzt. Dennoch war mit den zweieinhalb Jahrhunderten Buchdruck unter der TOKUGAWA-Regierung auch ohne offizielles Nachrichtenwesen eine Grundlage geschaffen worden, die das Entstehen einer öffentlichen politischen Sphäre in Japan ermöglichte.

Literatur zum Thema

Chibbett, David: The History of Japanese Printing and Book Illustration. Tôkyô: Kôdansha International 1977.
Forrer, Matthi: Eirakuya Toshiro, publisher at Nagoya: a contribution to the history of publishing in 19th century Japan. Japonica Neerlandica 1. Amsterdam: J.C.Gieben 1985.
KUWABARA Setsuko: Verleger und Künstler – Zur zentralen Rolle des Verlagswesens in der Edo-Zeit. In: Ehmcke, Franziska und Masako Shôno-Sladék (Hrsg.): Lifestyle in der Edo-Zeit. Facetten der städtischen Bürgerkultur Japans vom 17. – 19. Jahrhundert. München: iudicium 1994, S.190-210.
May, Ekkehard: Die Kommerzialisierung der japanischen Literatur in der späten Edo-Zeit (1750-1868). Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen der erzählenden Prosa im Zeitalter ihrer ersten Vermarktung. Wiesbaden: Harrassowitz 1983.
May, Ekkehard: Bestseller und Longseller in der Edo-Zeit. In: Nachrichten der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens 151 (1992), S.17- 26.
Smith, Henry D. II: The History of the Book in Edo and Paris. In: McClain, James L, John M. Merriman und Kaoru Ugawa (Hrsg.): Edo and Paris – Urban Life and the State in the Early Modern Era. Ithaca, London: Cornell University Press 1994, S. 332- 352.

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