Als sich Japan vor ungefähr 100 Jahren für den Handel mit anderen Ländern öffnete und seine „Geheimnisse“ einer neugierigen Welt offenbarte, befand sich unter den zahlreichen Künsten und Traditionen, die in der westlichen Welt Gefallen fanden, Ikebana, die Kunst des Blumensteckens. Diese Kunst hatte aber bereits eine viel weiter zurückliegende Geschichte mit einem religiösen Hintergrund.
Am Anfang des 6. Jahrhunderts kam unter anderem durch einen Mönch namens Senmu der Buddhismus aus China nach Japan.
Dabei tradierte er auch den Brauch des Blumenopfers an Buddha. Aus diesem Brauchtum soll sich später die Kunst des Ikebana entwickelt haben. Die wörtliche Uebersetzung von Ikebana heisst: „lebendige Blumen“.
Senmu, der als Gründer des Ikebana und auch der ältesten Schule, „Ikenobo“, angesehen werden kann, hat bestimmte Regeln aufgestellt, nach welchen ein solches Blumengesteck gestaltet werden sollte. Diese Regeln sind heute noch genauso wichtig, wie vor Jahrhunderten. Man wollte nämlich die Schönheit jeder Blume betonen, um auch die ganze Zusammensetzung wieder als harmonisches Ganzes erscheinen zu lassen. Wie in jeder Kunstrichtung, wurde eine klassische Form entwickelt, basierend auf komplexen Theorien. Aber die grundsätzlichen Prinzipien sind recht simpel, und diese betonen auch heute noch alle Ikebana-Schulen.
Das Wesentliche dieser Kunstform kann in einem kurzen Satz zusammengefasst werden: „Die Blumen werden geschnitten, aber nicht getötet“. Wie immer die Blumen im Gefäss plaziert werden, es gibt kein eigentliches „falsch“, sofern die Seele der Blume eingefangen wird und sie so in perfekter Harmonie in der neuen Umgebung zu wachsen scheint.
In den Augen des Künstlers sind der Kontrast von Licht und Dunkel, von Farben, von Linien und Masse wichtig. Dies verlangt eine ganz entschiedene Kommunikation mit der Blume. Diese Disziplin, aber auch die Freude am Umgang mit Blumen haben Ikebana in der Welt einzigartig werden lassen.
Im 16. Jahrhundert hatte sich dieser Umgang mit Pflanzen zu einer vielbeachteten Kunst mit genauen Anweisungen und viel Theorien entwickelt. Blumensteckfeste und Ausstellungen wurden gehalten und Unterricht in dieser Kunst zu geniessen, gehörte zur Erziehung von Aristokraten.
Während der Edo-Zeit (1603-1867) bestand die Politik der feudalen Regierung darin, jeden Aspekt des Lebens ihrer Untertanen zu beherrschen, sogar Ikebana. Die Schulen wurden mit einem Hierarchiesystem versehen, das sich der Organisation der Regierung anlehnte und jede Individualität wurde durch strikte Gesetze und Regeln unterdrückt. Kreativität war überhaupt nicht gefragt und wurde nur durch einige wenige Intellektuelle weitergepflegt.
Später begann sich Japan zu modernisieren und als Folge dieser Veränderungen wurden auch die modernen Ikebana Schulen gegründet. Heute kann jeder Interessierte unter zahlreichen Ikebana-Schulen auswählen und für die Stilrichtung entscheiden, die ihm am meisten zusagt. Zu den bekanntesten Schulen gehören die Ikenobo-, die Ohara- und die Sôgetsu-Schule. Die verschiedenen Ikebana-Schulen und ihre Mitglieder sind im Dachverband Ikebana International organisiert.