Was ist Pearl Harbor eigentlich für ein Film? Wenn man darüber nachdenkt, eine gute Frage, oder? Ist es etwa ein massentauglich aufbereiteter Actionfilm mit Dokumentarcharakter? Die Trailer und Filmplakate legen es nahe. Schon der Name verrät, so denkt der potenzielle Kinogast, dass es hier hauptsächlich um Ereignisse des 7. Dezembers 1941 auf dem US-Marine-Stützpunkt auf Pearl Harbor/ Hawaii und um den 2. Weltkrieg geht. Kein so verkehrtes Szenario will man meinen, da lässt sich was draus zaubern, wie „Der Soldat James Ryan“ oder „Der schmale Grat“ erfolgreich vorgeführt haben.
Und als passionierter Japanlink-Leser erhofft man sich vielleicht sogar wertvolle Informationsschnipsel zu der japanischen Sicht der Dinge. Die Frage bleibt allerdings offen, wie man aus einem Fliegerangriff drei Stunden Filmmaterial zusammenzimmern kann. Aber es soll ja nicht das erste Mal gewesen sein, dass ein Regisseur mit Können positiv überrascht.
Faktensammlung
Bei Pearl Harbor sind viele alte Bekannte mit von der Partie (siehe Infoblock unten). Wer sich mit Hollywood-Filmen auskennt, der wird spätestens jetzt vorsichtig. Die Produzenten gelten nämlich nicht gerade als Doku-Spezialisten, sondern ziehen es in der Regel vor, ihre Filme mit allerlei Pyrotechnik, sausenden Gefährten, und flatternden US-Flaggen vollzustopfen. Die Story wird da gerne etwas stiefmütterlich behandelt. Oder zumindest so simpel gehalten, dass auch der letzte Texaner weiß, wo die schwarz-weiße Trennlinie verläuft. Die Frage ist natürlich: wie passt der Drehbuchautor in die Geschichte, denn mit Braveheart hat dieser ein wahres Meisterwerk abgeliefert. Weiterhin schmälern auch die gelisteten Schauspieler die Erwartungen an Film-Substanz. Relativ losgelöst davon war von Hans Zimmer wieder ein solider Soundtrack nach alter Hausmarke zu erwarten.
Dreierbeziehungskisten und Kamikaze-Piloten
Es kommt so, wie befürchtet: Was James Cameron mit Titanic gelungen ist, nämlich eine gut inszenierte Love-Story mitten in einem ganz und gar grässlichen Szenario unterzubringen, versuchen die Macher von Pearl Harbor vergeblich. Hier soll sich die Liebesgeschichte als Dreier-Beziehungskiste zwischen zwei besten Flieger-Freunden und einer Krankenschwester entfalten. Wer mitzählt, weiß: das kann nur Ärger geben! Die Entwicklung zu diesem Streit um das Mädchen wirkt nicht nur unrealistisch, sondern viele Ereignisse des Films sind absolut vorhersehrbar. Einige Handlungsstränge, für die man sich hätte mehr Filmminuten nehmen sollen, werden „hopplahopp“ abgehandelt, wo hingegen der Zuschauer an manch anderer Stelle mit Belanglosigkeiten gelangweilt wird. Es wimmelt von übertriebener Blauäugigkeit, Naivität, und Dummheit, was als Mittel dazu dient, die Beteiligten in immer neue Katastrophen hineinzumanövrieren.
Nach ca. einer Stunde gelangt der Zuschauer dann zu des Pudels Kern, genauer gesagt: der Angriff der Japaner nimmt seinen Lauf. Über die Hintergründe wird der Zuschauer nicht aufgeklärt. Erstaunlicherweise wird an den Agressoren trotz erschlagendem US-Patriotismus noch ein Haar gelassen, denn ihr Handeln wird im Ansatz damit entschuldigt, dass sie „aus einer Zwickmühle“ heraus handeln mussten. Und dabei blicken die asiatischen Angreifer allen Erwartungen zum trotz nicht einmal grimmig drein. Allerdings gehen diese – Hand in Hand mit den ILM-Effekte-Studios – sehr sorgfältig und mit so großem Getöse zu Werke, dass wirklich kein Auge trocken bleibt. Das Ende der Gefechtsszene ist visuell äußerst sehenswert, bleibt aber wie die gesamten Kampfhandlungen etwas zu „sauber“. Zwar wird klar, dass hier eine Menge Menschen ihr Leben lassen, doch wird anders als bei Spielbergs Werk „Soldat Ryan“ die Chance vertan, das grausame Gesicht des Krieges herauszuarbeiten. Schade um diese eine Kriegs-Verblendung mehr, und auch um die Authenzität, die der Film so sehr für sich beansprucht.
Bleibt zu sagen, dass der von Jon Voigt gespielte US-Präsident eine regelrechte Witzfigur ist, Cuba Gooding Jr. völlig ohne Beziehung zu den Protagonisten die Rolle des Quoten-Schwarzen übernimmt, und die Amerikaner zum Schluss – fernab der geschichtlichen Tatsachen – Rache in Form eines absolut lächerlichen Bubenstreichs an den Japanern nehmen. Das hilft bekanntermaßen den US- Zuschauern ihre Tränchen aus dem Gesicht zu wischen. Und sie zum Abspann-Klatschen einzustimmen.
Viel Wind um ein wenig Krach
Ein vollkommener Kinogenuss ist Pearl Harbor nicht. Der Film tummelt sich ungefähr an der Unterkante Mittelklasse. Wer sich nichts besseres zu tun hat und pubertäre Destruktionsgelüste stillen möchte, der bekommt zumindest dies im Film par Excellence präsentiert. Nur wen eine oberflächliche Geschichte zur Weisglut treibt oder gar historische Erkenntnisse aus diesem Film zu ziehen hofft, der hat in diesem Film nichts verloren. Die japanische Version wurde übrigens gekürzt und von allzu anti-japanischen Klischees befreit.
Info Box
Pearl Harbor,
USA 1997
Regie: Michael Bay
Produzenten: Jerry Bruckheimer und Michael Bay
Drehbuch: Randall Wallace
Soundtrack: Hans Zimmer
D: Ben Affleck (Rafe McCawley), Josh Hartnett (Danny Walker), Kate Beckinsale (Evelyn Johnson), Cuba Gooding Jr. (Doris „Dorie“ Miller), Mako (Isoroku Yamamoto), Alec Baldwin (Lt. Doolittle)
Verleih: Touchstone Pictures/ Buena Vista International
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