Astroboy

Der Manga-Klassiker von TEZUKA Osamu

Astroboy

Anfang der 90er Jahre kam der Film „Akira“ hierzulande in die Kinos und prägte die Begriffe „Manga“ und „Anime“ beim deutschen Publikum nachhaltig. Wie bei der 2.000 Seiten fassenden Comic-Vorlage handelte es sich bei diesem animierten Film um eine Cyberpunk-Story vor der Lieblingskulisse japanischer SF-Comiczeichner, dem eines post-apokalyptischen Tôkyô. Auf der Berlinale wurde 1997 zum ersten Mal vor deutschem Publikum dann „Ghost in the Shell“ präsentiert und die Begriffe schienen nun endgültig erklärt: bei „Mangas“ handelt es sich um japanische SF-Comics für Erwachsene und „Anime“ ist die Zeichentrickversion.

Ein Misserständnis, wenn man das Werk des 1989 verstorbenen TEZUKA Osamu betrachtet. Der studierte Mediziner gilt als die große Vaterfigur des japanischen Comics, in einem Nachruf würdigte eine Tageszeitung den Zeichner als „Gott des Manga“.
Seine Hinterlassenschaft ist, gelinde ausgedrückt, reichhaltig. Über 40 Jahre seines Schaffens haben 150.000 Seiten Comics und 60 abendfüllende Animationsspielfilme hervorgebracht. Dabei wagte er sich an eine Fülle von Genres heran: neben SF-Comics für Kinder und Jugendliche zeichnete er sowohl schnulzige Melodrame als auch kritische Geschichtscomics. Sein Medizinstudium ließ er in die Comicserie „Black Jack“ einfließen, die Hauptfigur ist ein Arzt, der im ethisch grauen Bereich seinem Beruf nachgeht. Sein Spätwerk „Adolf“ erzählt die Geschichte zweier Jungen vor dem historischen Hintergrund der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten – dieses Comic hat sogar einen literarischen Anspruch.

Das Wort Manga meint in Japan nicht ein bestimmtes Comicgenre, das hierzulande sogar den Beigeschmack von Gewalt und entwürdigender Darstellung von Frauen erhielt, es ist lediglich die Bezeichnung für „Comic“ und „Anime“ die Kurzform für das englische animated film.

Rezeption von TEZUKA Osamu in Deutschland

Nun bestreitet seit einiger Zeit das Verlagshaus Carlsen in Deutschland äußerst erfolgreich rund die Hälfte seines Repertoires mit japanischen Mangas. Titel wie „Akira“ und „Evangelion“ erschienen hier zum ersten Mal in deutscher Sprache, und die Jugendcomicabteilung floriert aufgrund der „Dragonball“-Reihe, das wohl derzeit einer der wenigen Serien ist, die sich am Kiosk verkaufen läßt.

Im Jahr 2000 wagte sich der Carlsen Verlag an TEZUKAs Tetsuwan Atomu, „Astroboy“, und somit an einen Klassiker der japanischen Comickultur. Das einzige Werk TEZUKAs, das vorehr in Deutschland zu sehen war, lief Ende der Siebziger Jahre im deutschen Fernsehen: „Kimba, der weiße Löwe“ und verschwand, bis sich vielleicht einzelne Zuschauer bei dem Disney-Spielfilm „König der Löwen“ an die Fernsehserie erinnerten. Doch das Unterfangen war nicht von anhaltendem Erfolg gekrönt: Im Jahr 2016 wurden aus TEZUKAs Feder  „Adolf“, „Buddha“, „Kimba“, „Pluto“ und „Kirihito“ bei Carlsen verlegt – von Astroboy hingehen keine Spur. Deutschsprachige Astroboy-Kost ist heutzutage nur noch in gebrauchter Form zu finden. Letzendlich scheint es ein unlösbares Problem gebleiben zu sein, für Tetsuwan Atomu die passende Zielgruppe in Deutschland zu verorten.

Kein Junge wie jeder andere

Astroboy, das ist ein kleiner Junge mit lustigen spitzen Haaren und sanften Augen, geboren ist er im Jahre 1951 und drückt wie andere Kinder die Schulbank. Doch er wird von Selbstzweifeln gequält, denn anders als andere Kinder wird sein Herz atombetrieben und seine Füße sind mit Düsentriebwerken zum fliegen ausgestattet. Ausserdem besitzt er einen Computer als Gehirn, der sogar gute von schlechten Menschen unterscheiden kann, und ein ausgesprochen überdurchschnittliches Seh- und Hörvermögen. Dass andere Kinder bei Gefahr kein Maschinengewehr aus dem Po fahren können, muß hier nicht weiter erläutert werden.

Zu verdanken hat Astroboy seine ausgefallene Physiognomie und seine Identitätskrise dem Wissenschaftler Tenma, der ihn nach dem Vorbild seines bei einem Autounfall verunglückten Sohnes Tobio schuf. Der Vater merkt jedoch bald, dass Astroboy nicht seinen eigentlichen Verlust ausgleichen kann, er verstößt den Robotersohn und beschließt schließlich, den Jungen als technische Kuriosität an einen Zirkus zu verkaufen. Nach einer Leidenszeit in der Manege findet Astroboy in Dr. Ochanomizu vom Wissenschaftsministerium bald eine neue Vaterfigur, der die Fähigkeiten des Jungen auch in die richtige Wege leiten kann. Der Grundkonflikt des jungen Menschen zwischen eigener Persönlichkeit und Akzeptanz durch Familie und Mitmenschen wird hier zum Grundthema gemacht, begleitet wird der Zwiespalt von allerhand spektakulären Geschichten des Kampfes zwischen Gut und Böse.

Auch ein Film- und Serien-Star

Auch in einem Anime-Film und einer TV-Serie nahm es Astroboy mit finsteren Tentakelmonstern und Riesenrobotern auf. Während der US-Film aus dem Jahr 2009 ein Flop war (knapp 20 Mio. Dollar Einnahmen in den USA bei Produktionskosten von 65 Mio. Dollar), kam die Serie nie auf die deutschen Fernsehbildschirme. Erst jetzt können einzelne Episoden über YouTube und den Anbieter Retro Toons angesehen werden.

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