Eine Reise nach Japan lohnt sich. Das Land ist spannend und abwechslungsreich, man kommt komfortabel herum und die Gefahr ausgeraubt zu werden oder noch Schlimmeres zu erleben, ist äußerst gering. Doch wie sieht es aus, wenn man mit seinen Kindern in das Inselreich möchte? Gute Idee oder doch lieber nach Italien, das legendär dafür ist, kinderlieb zu sein?
Als ich mit meiner Familie vor dieser Frage stand, lagen die letzten eigenen Trips nach Japan schon ein paar Jahre zurück. Zudem waren zum Zeitpunkt eben dieser Reisen die Kinder noch nicht einmal geplant. Der Wahrnehmungsfokus im Land lag seinerzeit definitiv auf anderen Dingen. Entsprechend sollten Gespräche mit Freunden, die in Japan leben oder lebten sowie ausgedehnte Netzrecherchen die Erleuchtung zum Thema „Japan – ein familienfreundliches Reiseland“ bringen. Doch die Ergebnisse waren so widersprüchlich, dass sie im Grunde nutzlos waren. Also beschlossen wir: Einfach mal ausprobieren.
Im Netz: Prall gefüllter Rucksack mit Negativerfahrungen
Tatsächlich ist Japan nicht unbedingt eine typische Destination für Massentourismus. Zum einen bremst die lange Flugzeit von mindestens 14 Stunden den Enthusiamus – besonders, wenn man mit kleinen, ungeduldigen Menschen reist, bei denen die Pubertät noch in weiter Zukunft liegt. Zum anderen kann es abseits von Kyôto und Tôkyô ohne Japanischkenntnisse etwas kompliziert werden – Englisch allein hilft dann mitunter nicht mehr weiter. Einige Quellen im Internet raten mit Inbrunst davon ab, mit Kindern nach Japan zu reisen. Einhellige Meinung: Japaner sind nicht auf Kinder eingerichtet, empfinden sie als störend. Eine Quelle sprach davon, dass quengelige oder gar weinende Kinder im öffentlichen Nahverkehr als nervige Zumutung empfunden würden. Die Autorin hatte sich deshalb bei ihrem Japanbesuch sehr unwillkommen gefühlt und geschworen, sobald nicht wiederzukommen.
Sind solche Erfahrungsberichte ärgerliche Einzelerlebnisse, die man auch in jedem anderen Land der Erde machen könnte? Oder waren die Menschen, die im Netz ihre im Erfahrungen mit Japan als so unangenehm und negativ beschrieben mit einer falschen Erwartungshaltung hingefahren? Kann man Menschen eines Landes überhaupt so grob verallgemeinern, um von „dem Japaner an sich“ zu sprechen? Und gibt es den überhaupt. Nein, wahrscheinlich genau so wenig, wie es den typischen Deutschen gibt.
Versuch einer objektiven Annäherung an das Thema
Vielleicht nähert man sich dem Thema daher nicht über die persönliche Wahrnehmung spezieller Situationen, sondern über objektiv Erfassbares. Wie zum Beispiel: Wie feinmaschig ist das Netz an Toiletten? Wer Kinder hat, weiß, dass diese nicht selten gaaaaanz dringend benötigt werden. Und, verwandtes Thema, aber relevant bei kleineren Mitreisenden: Gibt es viele öffentliche Wickelstationen? Wie schaut es aus mit der Verfügbarkeit von Kindermenüs in Restaurants?
Hierzu schon mal die vorweggenommenen Antworten: Das WC-Netz ist gerade in den Großstädten sehr feinmaschig. Es gibt unter anderem an vielen Bahnhöfen Toiletten, die – wie alle öffentlichen Bedürnisanstalten – kostenlos genutzt werden dürfen. Wickeltische sind seltener zu finden, zum Beispiel in Kaufhäusern oder großen Bahnhöfen. Und Gerichte für Kindergrößen gibt es auch, wenngleich weniger häufig als in Ländern, die traditionell auf touristischen Familienbesuch eingerichtet sind wie Italien, Spanien oder Österreich. Da Mahlzeiten in Japan aber eh häufig aus vielen kleinen Speisen zusammengestellt werden, ist dies auch gut zu verschmerzen. Wenn die Kinder dann auch noch experimentierfreudig sind, gibt es für sie kulinarisch viel zu entdecken.
Reisen innerhalb von Japan
Nach dem Lesen fremder Erfahrungsberichte und dem Abwägen von Fakten sind wir sind uns einig: Die größte Gefahr bei einer Japanreise geht wohl eher von der langen Flugzeit aus als von Japanern, die fies vor Kindern wären. Dafür spricht auch, dass die Einwohnerzahlen von Nippon zwar rückläufig sind, das Volk aber noch nicht ausgestorben ist.
Doch wie durch Japan reisen? Die öffentlichen Verkehrsmittel sind innerhalb der Städte aufgrund der engen Streckennetze und des kurzen Takts super. Seit Einführung von landesweit gültigen Prepaid-Guthabenkarten ist das Herumfahren zudem auch sehr unkompliziert: Karte bei Ein- und Ausstieg an das Lesegerät halten, fertig.
Doch bei Überlandfahrten gibt es gewisse Nachteile. Der Einstieg in Shinkansen und andere Züge ist mit zwei kleinen Kindern, deren und dem eigenen Gepäck plus Kinderwagen ein Stressgarant. Wir entschieden uns daher für einen Mietwagen und damit auch für die Möglichkeit, Ziele fernab der ausgetrampelten Touristenpfade erreichen zu können – ohne dabei auf eine Kaskade von Bahnen und Bussen in Kombination mit längeren Fußmärschen angewiesen zu sein.
Tipps zum Reisen mit Kindern in Japan
- Checken, ob man neben den eigenen Reisepässen auch gültige Reisepapiere mit Lichtbild für die Kinder hat. Wenn nicht: Rechtzeitig beantragen und an die erforderlichen biometrischen Fotos denken. Immerhin: Für Japan benötigen Reisende mit deutscher Staatsangehörigkeit kein Visum.
- Für ausreichend Unterhaltung und kleine Snacks sorgen. Das ist besonders im Flieger wichtig. Viele Fluggesellschaften, die zwischen Deutschland und Japan verkehren, bieten ein individuelles Unterhaltungsprogramm. Die in die Sitze eingelassenen Touchscreenterminals stellen unzählige Filme und Serien zur Verfügung. Darunter auch solche, die dank Verzicht auf Zombies und schizophrene Axtmörder auch für junge Reisende prima geeignet sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, packt sich zu Hause noch kindgerechte Apps und Inhalte auf Smartphone oder Tablet.
- Bei Buchung von Hotel oder Ryôkan unbedingt auf die Zimmergröße achten. Gut fährt man mit Zimmern im japanischen Stil. Hier wird tagsüber kein Platz durch Betten weggenommen, da die Zimmer erst zum Schlafengehen in Liegewiesen aus aneinandergereihten Futons umgewandelt werden.
- Unbedingt raus aufs Land. Außerhalb von Tôkyô, Kyôto und Ôsaka bietet sich noch einmal eine ganz andere, erlebenswerte Art von Japan.
Die Reise beginnt
Rein in den Flieger, alle sind aufgeregt. Die Kinder wegen des bevorstehenden Flugs, die Eltern wegen der Erinnerung an den vergleichsweise kurzen Flug vor einem dreiviertel Jahr, bei dem der jüngere der beiden kleinen Mitreisenden seinen Unmut ob der Reiseform durch durchgängiges Weinen kundtat. Würde sich dies wiederholen, könnten auch umfangreiche soziologische Studien über die Geduld der überwiegend japanischen Mitreisenden im ANA-Flieger angestellt werden. Doch Kind 2 bleibt vorbildlich entspannt und erfreut sich an der „Eiskönigin“ im Angebot der sitzeigenen Unterhaltungsstation. Kind 1 auch. Er schaut den Film auf dem Flug viereinhalbmal – hier gelten die für zu Hause aufgestellten Medienkonsumregeln nicht.
Dafür hält der angeschlagene Magen-Darm-Trakt nicht nur Kind 1 auf Trab hält, sondern auch den Japaner, der den Gang-Platz in der Dreiersitzreihe zugewiesen bekommen hat. Der arme Kerl muss nun mehr als ein Dutzend mal während des Flugs nach Tôkyô den Weg zur Toilette frei machen. Doch trotz der Belastung bleibt der Mitreisende tapfer und beklagt sich nicht einmal durch einen abfälligen Blick. Der erste Intensivkontakt mit einem per Zufall ausgewählten Japaner zeigt: Keine Kinderunfreundlichkeit feststellbar. Obwohl er einen gewissen Grund dafür gehabt hätte.
Mit Stars unterwegs
Nach der langwierigen Passkontrolle stellen wir zwei Dinge fest, die Einfluss auf die nächsten Tage in Japan haben werden:
Der Kinderwagen für Kind 2 ist nicht mit uns in Tôkyô gelandet. Und wir bekommen ein Gefühl dafür, wie es wäre, zusammen mit Justin Bieber zu reisen: Die kleinen Blonden mit ihren blauen Augen erregen hohe Aufmerksamkeit. Noch bevor wir überhaupt im Hotel eingecheckt haben, sind wir schon zwei mal gefragt worden, ob es okay wäre, die Kinder zu fotografieren. Von jungen Paaren, nicht von suspekten älteren Herren im langen Mantel mit nackten Beinen. Auch wird häufig auf die Jungs gezeigt, frenetisch gewunken und mit wenig japanischer Zurückhaltung „kawaii“ gerufen (etwa: niedlich, süß).
Freuen sich die kompakten Reisebegleiter anfangs noch über die Überportion Aufmerksamkeit, stumpfen sie binnen weniger Tage diesbezüglich ab und nehmen allenfalls noch mit großem Argwohn ältere Reisende aus China wahr, die ihnen ungefagt die Haare durchwuscheln. Zweites Zwischenfazit: Kinderfeindlichkeit sieht definitiv anders aus.
Touristisches erleben
Wie eingangs erwähnt haben wir uns für unseren Trip quer durch das Inselreich für eine Kombination aus Mietwagen und Inlandsflügen entschieden. Beim Autofahren zeigte es sich als sehr praktisch, dass die oft sperrigen Adressen von Unterkünften nicht auf Japanisch in das Navi eingegeben werden müssen. Hier genügt es, die Telefonnummer des Ziels zu kennen. Festnetznummern sind anders als in Deutschland ortsgebunden. So konnten wir unkompliziert von A nach B kommen. Abgesehen vom abwechselnd unübersichtlichen oder viel zu engen Tôkyô macht das Autofahren in Japan Spaß. An den Linksverkehr gewöhnt man sich schnell und das Betätigen des Scheibenwischers bei Blinkwunsch sollte spätestens nach einem Tag seltener werden. Japaner sind defensive Fahrer und deutlich weniger erratisch in ihrem Verkehrsverhalten als zum Beispiel Südeuropäer.
Dank der nahezu uneingeschränkten Mobilität besuchten wir touristische Hotspots ebenso wie auch abgelegene, gerade zu neuem Leben erwachte Vulkane. Der Eintritt zu kostenpflichtigen Attraktionen war dabei oft nicht nur preisreduziert, sondern einige Male sogar kostenlos für Kinder. Vorbildlich und damit der dritte große Pluspunkt in unserer höchst subjektiv bewerteten „Japan mit Kindern“-Erfahrungsreise.
Mit Kindern nach Japan – das Fazit
Abschließend kann ich nach mehrwöchigem Aufenthalt festhalten, dass Reisen in Japan dem Unterwegssein in typischen Ländern für Familienurlaub in nichts nachsteht. Den Kindern wurde überall freundlich und aufgeschlossen begegnet und Probleme beschränkten sich auf Situationen, die auch in anderen Ländern problematisch gewesen wären.