KOBAYASHI Ichizô wurde 1873 geboren und einer strengen Erziehung unterzogen. Er war schon als Kind für jegliche Art der Unterhaltung zu begeistern. Er begann Kurzgeschichten zu schreiben, von denen manche auch publiziert wurden. 1892 beendete er die Keiô Universität und begann in der Mitsui Bank zu arbeiten. 1900 heiratete er und wurde in Tôkyô angestellt. Er war allerdings unzufrieden mit diesem Job, so dass er, als er ein Angebot aus Ôsaka bekam, für einen neuen Konzern zu arbeiten, dieses sofort annahm. Später gründete er den Eisenbahnkonzern Hankyû. Schließlich richtete er sein Augenmerk auf die kleine Stadt Takarazuka.
Wie alles begann
Takarazuka bestand aus Hotels und einer Heilquelle. Doch die Heilquelle war unattraktiv und wurde kaum genutzt. KOBAYASHI erfuhr von einem Freund, dass dieser ein Knaben-Ensemble gegründet hatte. KOBAYASHI gefiel die Idee so gut, dass er sie selber auch in die Tat umsetze. Mit einem Unterschied: Sein Ensemble sollte ausschließlich aus Mädchen bestehen. Auf eine Suchanzeige in der Zeitung meldeten sich eine reihe Mädchen, die sich von der Anzeige angesprochen fühlten. KOBAYASHI wählte von den Bewerberinnen sechzehn aus, alle zwischen zwölf und sechzehn Jahren. Diese bildeten dann das Takarazuka Shôkatai (Takarazuka Ensemble). Er gab ihnen Künstlernamen (gei mei) aus der berühmten Gedichtsammlung „Hyakunin-Isshû“.
Im Jahr 1918 standen die Mädchen zum ersten Mal in Tôkyô auf der Bühne. KOBAYASHI sah darin die große Chance, seinen Traum von einer nationalen japanischen Oper zu verwirklichen. Die Aufführungen fanden im Teikoku Gekijô, dem kaiserlichen Theater von Tôkyô statt. Anfang des Jahres 1919 änderte Takarazuka sein Trainingsprogramm und den Namen des Ensembles in Takarazuka Ongaku Kageki Gakkô. Manche Shows wurden in das größere Theater (Public Hall Theater) verlegt. Dabei entstanden zwei Takarazuka-Gruppen: die hana-gumi (Blumengruppe) und die tsuki-gumi (Mondgruppe). Es wurde eine dritte Truppe, die yuki-gumi (Schneegruppe), gegründet, als auch das Daigekijô (das große Theater) eröffnet wurde. 1934 entstand die vierte Gruppe: die hoshi-gumi (Sternengruppe). Schließlich kam 1998 eine fünfte Gruppe dazu: sora-gumi (Kosmos-Gruppe).
Die Stücke, die gespielt werden, sind unterschiedlich. Man unterscheidet grundsätzlich in nippon mono (japanische Stücke) und yômono (westliche Stücke). Die Präsentationen werden eingeteilt in
- Revue (französischer Einfluss)
- Show (amerikanisch, ist realistischer als die Revue)
- Romantik (Liebesgeschichte, meistens aus westlichen Stücken)
- ôchôroman (eine Romanze, die in einer bestimmten japanischen Periode spielt)
- buyôshi (japanische Tanzaufführung)
Otokoyaku und musumeyaku
Basierend auf der Körpergröße werden die Mädchen in otokoyaku (Frauen, als Männer verkleidet) und musumeyaku (weibliche Figuren) eingeteilt. Man kann sagen, dass die otokoyaku für gewöhnlich berühmter werden. Die musumeyaku sollen nur hübsch und niedlich sein. Einen otokoyaku darzustellen ist der Wunsch von fast jeder Takarazuka-Darstellerin. Darin sehen sie eine Herausforderung und begeistern viele ihrer weiblichen Fans.
Manchen otokoyaku in spe fällt es jedoch schwer tiefer zu singen, so dass sie Rollen als musumeyaku annehmen müssen. Frauen, die auf der Bühne Männer verkörpern, fühlen sich selbstbewusster und stärker. In der Presse wird oft kolportiert, dass die otokoyaku so sehr in ihrer Rolle aufgehen, dass sie auch sexuelle Beziehungen mit weiblichen Partnern eingehen. Im Theater selbst werden solche Gerüchte immer abgestritten. Man betont die Unschuld und Jungfräulichkeit der Schauspielerinnen. Schließlich gilt der Grundsatz des japanischen Theaters: Kiyoku, tadashiku, utsushiku (Sei unschuldig, sei aufrichtig, sei schön).
Die Faszination Takarazuka
Die größte Faszination für Takarazuka stellt das Entfliehen in eine Art Traumwelt dar. Die romantische Liebesgeschichte ist für viele ein Idealbild von Glück. Takarazuka symbolisiert viele Träume von Fans und spielt ihnen eine bizarre Wirklichkeit vor. Dieses geheimnisvolle und märchenhafte Ambiente, welche das ganze Theater auf sein Publikum projiziert, ist der wahre Grund für diese nie endende Faszination.
Literatur zum Thema:
Jennifer E. Robertson: Takarazuka: Sexual Politics and Popular Culture in Modern Japan, University of California Press 1998.
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