Koreaner in Japan waren in den letzten Jahrzehnten eine oft sozial benachteiligte Minderheitengruppe. Doch seit den späten 1990ern hat in den Köpfen vieler Japaner ein Wandel im Umgang mit den Korea-Japanern stattgefunden. Allerdings nicht in allen Köpfen, wie „Go“- Hauptfigur SUGIHARA feststellen muss.
Die Vorgeschichte: Im August 1945 wurde mit der Befreiung Koreas aus japanischer Herrschaft und der Koreaner aus ihrer Zwangsarbeiterschaft das erste Mal eine Entscheidung fällig, welche die Koreaner in Japan für sich zu beantworten hatten: Die Frage danach, wo sie nach Ende der japanischen Kolonialzeit ihr Leben aufbauen wollten: In Japan, wohin viele von ihnen verschleppt worden waren, um in Fabriken Kriegsmaterialien zu fertigen, oder zurück in der ethnischen Heimat? Von den knapp 2,5 Millionen Koreanern in Japan zu Ende des zweiten Weltkriegs entschied sich der Großteil für eine Rückkehr auf die Halbinsel und ließ etwa 600.000 Menschen zurück. Diese sind die Vorfahren der meisten heute bereits in der dritten, vierten und fünften Generation in Japan lebenden Korea-Japaner. Neben der Rückkehr ins „Heimatland” bestand lange Jahre für Koreaner nur die Möglichkeit der Einbürgerung, die zwar die vorherrschende Diskriminierung zu umgehen geholfen hätte, der aber viele wegen eines Verlustes der koreanischen Identität kritisch gegenüber standen. Einige Änderungen des Japanischen Nationalitätengesetzes, von denen die letzte erst 1991 beschlossen wurde, verbesserten den Status der Koreaner in Japan.
Heutzutage haben die meisten jungen Koreaner in Japan japanische Schulen besucht und sind kulturell nahezu vollständig an japanische Standards angepasst. Sie sehen aus wie Japaner, sprechen fließend Japanisch und nur noch wenige – von denen die meisten koreanische Schulen in Japan besucht haben – sprechen überhaupt noch Koreanisch.
Ebenfalls Gewinner dieses „japanischen Oscars” ist IMAI Tsuyoshi, der sich für den Schnitt des Films verantwortlich zeichnet. Die rasant geschnittenen ersten gut 20 Minuten des Films, in denen die Hauptfigur SUGIHARA (Teenie Idol KUBOZUKA Yosuke) als Rebell auf der Flucht vor Polizei, beim Auflehnen gegen die Lehrer seiner nordkoreanischen Schule, in Schlägereien mit Mitschülern an einer japanischen High School, bei einem Mutproben- Lauf vor einer U-Bahn oder im Kreise von Yakuza vorgestellt wird, nehmen den Zuschauer mit treibendem Technobeat und visuellen Spielereien wie Zeitraffer, Zeitlupen und schrägen Kameraperspektiven gefangen. Dabei erinnern sie bisweilen an visuell auffällige Erfolgsfilme wie Guy Ritchies „Snatch – Schweine und Diamanten“ (2000) und Tom Tykwers „Lola rennt“ (1998).
Diese plakative Figureneinführung wird nach dem ersten Viertel des Films durch eine konventionelle cineastische Erzählweise abgelöst, als SUGIHARA auf der Geburtstagsparty des Yakuza-Sohns Kato, Sakurai (SHIBASAKI Kô, vorher zu bewundern als sensenschwingende Meuchelmörderin in „Battle Royale“) kennen lernt. Nun wird der Film zum ersten Mal, dem wiederholt vom Ich-Erzähler SUGIHARA vorgetragenen Anspruch gerecht, eine Liebesgeschichte erzählen zu wollen.
Doch auch jetzt noch erzählt der Film in Rückblenden von der Zeit vor dem Treffen und über die Person SUGIHARA, sein familiäres Umfeld und seine Kindheit. Sein Vater, ein ehemaliger Profiboxer, schlägt seinen Sohn hin und wieder zusammen, wenn es ihm als erzieherische Maßnahme angebracht erscheint. Seinen Sohn hatten er und seine Ehefrau einst der „besseren Erziehung” wegen auf eine strenge kommunistisch-nationalistische nordkoreanische Junior High School geschickt. Als den Vater nach einer TV-Doku der Wunsch packt, nach Hawaii zu reisen, gibt er kurzerhand seine nordkoreanische Staatsangehörigkeit auf und verschafft sich mittels Bestechung die Südkoreanische. In einem Vater und Sohn-Gespräch am Meer macht er seinen Filius auf eine mögliche Entscheidung aufmerksam: »Schau Dir die weite Welt an. Danach, entscheide für Dich selbst.« Dies macht SUGIHARA denn auch: Er beschließt die nordkoreanische Schullaufbahn zu beenden und an eine japanische High School zu wechseln. Als seine Entscheidung sich an der Schule herumspricht, greifen Lehrer ihn körperlich und verbal als „Verräter des Heimatlandes” an. Jong-Il, ein intellektueller Halb-Koreaner widerspricht, dass es für sie niemals ein Heimatland gegeben habe. Fortan – auch nach SUGIHARAs Schulwechsel – werden die beiden Freunde.
So beschäftigt sich „Go“, auch wenn der Ich-Erzähler darauf besteht eine Liebesgeschichte zu erzählen, in erster Linie mit der manchmal rührenden, teilweise gewalttätigen und bisweilen komischen Beziehung der Hauptfigur zu ihrem Vater, ihren koreanischen Klassenkameraden und später zu den verschiedenen Japanern, auf die SUGIHARA trifft.
Hierzu gehört – wie erwähnt – SAKURAI, die mit SUGIHARA in aller Direktheit anbändelt und ihn schnell in ihren Bann zieht. Beide stellen bald fest, dass sie nicht nur dieselben popkulturellen Interessen teilen, sondern auch die Abneigung, dem anderen ihren Vornahmen mitzuteilen. Ihre Freizeit verbringen sie meist im konservativ-japanischen Haushalt von SAKURAIs Eltern, wo es im Fernseh- und HiFi-Zimmer des Vaters auch zu den ersten Zärtlichkeiten des Paares kommt. Die gemeinsame Welt scheint perfekt bis ein koreanischer Freund SUGIHARAs erstochen wird, als er bei einem Übergriff junger Japaner gegen eine Koreanerin einschreiten will. SAKURAI bietet an, die Nacht mit SUGIHARA zu verbringen, damit er mit seinem Schmerz nicht allein sein muss.
In einem Love Hotel bereiten sich die beiden auf eine gemeinsame Liebesnacht vor, als sie ihm ihre Liebe gesteht. SUGIHARA wartet in der Folge auch mit einem Geständnis auf: Er sieht die Zeit reif dafür, SAKURAI eine Sache zu erzählen, die er selbst als eher unwichtig eingeschätzt hatte, die sie aber zutiefst schockiert: Sein eigentlicher Name Lee Jong-ho und der Name offenbart seine koreanischen Wurzeln. SAKURAI, selber den urjapanischen Vornamen Tsubaki tragend, berichtet unter Tränen, ihr Vater habe ihr schon als Kind eingebläut, das Blut von Koreanern und Chinesen sei schmutzig (chi ga kitanai). Sie untermauert das rassistische Vorurteil mit der Feststellung, dass es sie ekele, mit einem Koreaner zu schlafen. Die Diskriminierungen aus längst vergessen geglaubten Tagen sind wieder da und Fragen danach, was denn nun die Nationalität ausmache – der Geburtsort und die Sprache sowie die Kultur oder die ethnische Herkunft – bleiben ohne vernünftige Antwort von Tsubaki und die Beziehung zu diesem Zeitpunkt auf der Strecke.
Und das, obwohl für SUGIHARA die Antwort auf die Fragen nach Herkunft und Zugehörigkeit längst klar ist. Durch die Lektüre verschiedener populärwissenschaftlicher Bücher weiß er, dass 50% der japanischen Bevölkerung DNS-Material besitze, das typisch sei, für die Menschen in Korea und Japan. Demnach sei nur die Tatsache, in Japan geboren und aufgewachsen zu sein, wirklich determinierend für das Japanersein. Und so stellt er für sich – und stellvertretend für den Zuschauer – fest: »Am Ende ist die Staatsangehörigkeit nur so etwas wie ein Mietvertrag für eine Wohnung. Wenn Du die Wohnung nicht mehr magst, kannst Du den Vertrag einfach kündigen und die Wohnung verlassen.«
Info Box
Go,
Japan 2001
Regie: YUKISADA Isao
Produzenten: KUROSAWA Mitsuru
Drehbuch: KUDÔ Kankurô (nach dem Roman von KANESHIRO Kazuki)
Soundtrack: Meyna Co. (KUMAGAI Yôko und URAYAMA Hidehiko)
Kamera: YANAGISHIMA Katsumi
D: KOBOZUKA Yôsuke (SUGIHARA (Lee), SHIBASAKI Kô (SAKURAI Tsubaki), HOSOYAMADA Takato (Jong-Il), YAMAMOTO Taro (Tawake), OTAKE Shinobu (Michiko, SUGIHARAs Mutter), YAMAZAKI Tsutomu (Hideyoshi, SUGIHARAs Vater)
Verleih (Japan): Toei Co. Ltd.
122 Minuten (Farbe).
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