Man stelle sich vor: Jugendliche, die sich bei Gelegenheiten wie den regelmäßigen Comic-Börsen (komiku maruketto, kurz COMIKET) als Figuren ihres Lieblingscomics oder -Videospiels verkleiden und dies mit einer Inbrünstigkeit und einem Drang nach Perfektion, der seinesgleichen sucht. Wer dies als Spinnerei abtut, weil er dies aus unseren Breitengraden höchstens als kindliches Vergnügen oder eine Begebenheit zu Karneval erachtet, mag eines besseren belehrt werden: Auch wenn die „Costume Plays“ (kurz: Cosplay von kosupure) zu Anfang noch für eine Spinnerei gehalten wurden, die vor allen Dingen von den Reihen der Otaku ausging, so haben sie sich inzwischen zu einem Trend in der aktuellen japanischen Jugendkultur gewandelt.
Das Phänomen an sich ist auch im Westen bekannt: Zum Beispiel laufen auf den regelmäßig in aller Welt- und besonders in den USA- stattfindenden Star-Trek Conventions Cosplayerin auf Comiket in Tôkyôunzählige Besucher in der Verkleidung eines Captain Kirk, eines Klingonen, eines Bajoraners oder eben der eines Vulkaniers, am liebsten als der Vulkanier Spock, herum. Es ist, auf das Wesentliche reduziert, eine Zeit für die Fans, um sich als ihre Lieblingsfigur zu verkleiden und in dieser Aufmachung ein wenig Spaß zu haben.
Ebenso verhält es sich auch beim Cosplay in Japan: Eingefleischte Cosplayer bestehen in diesem Zusammenhang allerdings darauf, daß sie ihre Alter ego nicht nur optisch darstellen, nein, sie übernehmen auch deren Charakter mit Worten und Taten. Auch sind hier die optischen Vorbilder nicht die Figuren einer Science-Fiction Serie, sondern entstammen einem Manga, einem Anime oder einem Computerspiel.
Die Popularität von Cosplay began etwa vor 4 Jahren rapide zu wachsen und durch die regelmäßig stattfindenden Manga- Verkaufsmessen zu einem Breitenphänomen zu werden. Dabei tragen die Cosplayer neben einem meist selbst, in mühevoller Kleinarbeit geschneiderten Outfit oft auch auffälliges Make-Up oder färben sich sogar die Haare – ihrer Figur entsprechend. Inzwischen ist es so, daß die Verkleideten selbst zur Hauptattraktion von Verkaufsmessen und Fan-Conventions geworden sind: Der jährlich über einen Zeitraum von drei Tagen in Tôkyô stattfindende Comicmarkt ist der größte seiner Art und lockt über 100.000 Manga und Anime-Fans sowie unzählige Fotografen an, die dieses Spektakel für die Medien oder ihre private Fotosammlung festhalten möchten. Einige populäre Cosplayer erhalten auch selber Fanpost oder vermarkten sogar eigene Fotos und Videoaufzeichnungen.
Die Kostümierten sind natürlich nicht nur auf solchen Messen vertreten: Einige der inzwischen formierten und unter fantastischen Namen wie C.P.EXcellent firmierenden Clubs veranstalten regelmäßige Treffs und sogenannte Costume Dance Parties. Die größten dieser Kostümfeste ziehen tausende Besucher an, die zu den Titelliedern ihrer Lieblings-Anime Serie tanzen und in ihren Kostümen bestimmte Situationen aus Manga oder Anime nachstellen. Auch das Internet ist voll von hunderten, meist japanischen Cosplay-Fanseiten. Darunter sind solche Seiten, die andere Cosplay-Fans in einem Eventkalender über anstehenden Parties und Conventions informieren und solche Seiten, auf denen sich die Betreiber mit ihren Kostümen dem Besucher auf Fotos präsentieren. Leider sind die meisten dieser Seiten in japanischer Sprache und verschließen sich somit zumindest inhaltlich demjenigen, der des Japanischen nicht mächtig ist.
Dieser große Markt an Fans bietet sich natürlich geradezu dazu an, geschäftlich ausgenutzt zu werden. So nimmt jüngst auch die Anzahl der Geschäfte, die komplette Kostüme liefern und solcher, die auf Kundenwunsch und auf eine Bildvorlage hin das Kostüm der Lieblingsfigur nachschneidern, deutlich zu.
Das Phänomen Cosplay psychologisch zu bewerten ist natürlich schwierig. Versucht man es doch, so stößt man auf Meinungen wie, daß es zum einen in den Problemen oder dem Unvermögen der heutigen jüngeren Generation liegen mag, engere Beziehungen zu ihren Mitmenschen einzugehen. Dabei macht es das Kostüm leichter, sogar mit Wildfremden Kontakt aufzunehmen, da zum einen das eigene Kostüm den gewissen Schutz der Anonymität gibt aber zugleich auch einen leichten Ansatz für ein Gespräch bietet. Eine andere Meinung ist, daß diese Art von Charakterveränderung eine Erweiterung der für Kinder typischen Phantasie-Rollenspiele und somit eine Flucht aus der Realität sei. Wie bei theoretischen Ansätzen üblich, liegt die Realität wohl allerdings in einer Mischung dieser und anderer Ansätze begründet.
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