10 Fragen an… Alexandra Völker

Deutsche Manga-Zeichnerin

10 Fragen an… Alexandra Völker

Die 1986 geborene Alexandra Völker ist deutsche Mangazeichnerin und arbeitet hauptberuflich als Kommunikationsdesignerin. Seit sie als Kind „Sailor Moon“ sah, wollte sie auch Manga zeichnen und eigene Geschichten erzählen – was sie dann später auch bei Egmont und Carlsen in eigenen Comicbänden tat. Japanlink sprach mit Alexandra über ihre Arbeit, Shôjo-Manga und Japan.

Japanlink: Alexandra, ich eröffne mal mit der Standardfrage unserer Interviewreihe: Erzähl uns doch ein bisschen über dich. Was war zum Beispiel dein Traum als 6-Jährige? Was wolltest du mal werden, wenn du groß bist?

Also mit sechs Jahren war das alles noch sehr angenehm. Ich war im Vorschulkindergarten und habe die meiste Zeit nur gemalt. Genau Berufswünsche hatte ich nicht, die kamen erst mit acht, oder neun Jahren: Da wollte ich abwechselnd Lehrerin, Tierärztin, oder Künstlerin werden, wobei sich der Kunstwunsch bis zu meinem heutigen Tag gehalten hat.
Alexandra Völker: Mit sechs Jahren war ich ein riesiger Disney- und Biene-Maja-Fan. Zusammen mit meiner älteren Schwester haben wir ganze Blöcke vollgemalt und haben uns gegenseitig inspiriert. Meine Schwester war die bessere Zeichnerin von uns und hat mir viel beigebracht, bis wir dann zusammen, in der Grundschule, zu einer Künstlerin in unserer Heimatstadt geschickt wurden. Martine Mallet hatte ein wunderschönes Atelier in Hamm und dort hatten wir viele Jahre am Stück wöchentlich Kunstunterricht. Bei Martine habe ich eigentlich alles gelernt, was man für einen Künstlerstart braucht: Bleistift, Kohle, Acryl, Öl, also die unterschiedlichen Techniken. Martine ist bis heute ein prägendes Vorbild und ich verdanke ihr wirklich viel. Ich weiß nicht, ob ich mich ohne sie je für den Kunstweg entschieden hätte.

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Alice. Bild: (c) Alexandra Völker

Das kann ich mir vorstellen. Wie bist du dann von der Kunst zum Mangazeichnen gekommen? Das ist dann ja doch schon eine ganz andere Nummer und würde von so manchem klassisch ausgebildeten Maler vielleicht eher belächelt werden, oder?

Martine kommt aus Frankreich und die Franzosen haben eine sehr große Comickultur. Deswegen bin ich schon zur Grundschulzeit mit französischen Comics in Kontakt gekommen. Ichhabe noch immer einige Comic-Bände, die ich von meiner Kunstlehrerin geschenkt bekommen habe (auf französisch, deswegen habe ich im 7. Schuljahr auch Französisch und nicht Latein gewählt, damit ich die ganzen Comics in Originalsprache lesen konnte). Manga habe ich parallel laufen lassen, das war eine sehr erfrischende Ergänzung zur „normalen“ Kunstausbildung. Ich trenne Manga und Comics übrigens nicht, für mich gehört beides zusammen und das ist gut so. Wenn ich gefragt werde, was ich mache, dann sagen ich mal Comic, mal Manga.

Ja, wenngleich stilistisch schon auch Unterschiede zwischen europäischen und japanischen Comics bestehen. Und damit meine ich jetzt nicht nur überporportional großen Augen bei den Figuren.

Das schon, aber für mich als Zeichnerin ist der Unterschied zeichentechnisch betrachtet nicht sehr groß. Ich habe mit 14 Jahren meine ersten Karikaturen gezeichnet, das war damals für eine Tageszeitung in meiner Schulstadt Werl. Als dann die Mangazeichnerei gestartet hat, habe ich nicht viel anders gearbeitet: Tusche, schwarze Stifte, Papier… Ich habe immer wieder zwischendurch „normale“ Comics gezeichnet, und dann wieder Manga, alles querbeet und das hat mich als Zeichnerin stilistisch sehr weit gebracht.

Im Alter von 19 kam deine erste, zweibändige Veröffentlichung bei Egmont Manga und Anime raus. Wie kam es dazu?

Mit 17 Jahren habe ich bei einem Zeichenwettbewerb von der Connichi und dem Egmont-Verlag teilgenommen. Es wurde der zweite Platz. Nach der Preisverleihung hat mich der Chef gefragt, ob ich nicht richtige Manga-Bücher zeichnen möchte. Da sagt man nicht nein! Ich weiß nicht, ob ich mich damals getraut hätte, eine richtige Bewerbung für den Verlag fertig zu machen. Das blieb mir alles erspart und ich wurde zum Verlag, damals in Köln, eingeladen und konnte meine erste Geschichte vorstellen. Mit 17 Jahren hat sich bei mir alles um Japan und Mode gedreht, japanische Musik und Jungs… das konnte ich dann in die Bücher einbringen. Die Geschichte zu Catwalk hatte ich bereits VOR dem Zeichenwettbewerb im Kopf. Das war eine große Sache für mich, das sich dann tatsächlich jemand dafür interessiert hat. An den Bänden habe ich dann zwei Jahre gezeichnet und mit 19 Jahren waren dann meine Bücher auf dem Markt. Obwohl ich komplett unerfahren war, haben sie sich bis jetzt am besten verkauft. Damals gab es kaum deutsche Manga-Zeichner und das Interesse war riesig. Heute ist die Szene gut etabliert und man kann es als Zeichner ruhiger angehen lassen, was ich ebenfalls sehr gut finde.

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Chibi. Bild: (c) Alexandra Völker

Dein Stil und die Themen deiner Manga sind offenbar stark von Shôjo-Manga beeinflusst. Die Geschichten – in der Modewelt angesiedelt – drehen sich um Liebe, Eifersucht und das Hereinfinden in die Erwachsenenwelt. Nun sind die meisten deiner veröffentlichten Manga genau in der Zeit entstanden, in der du selber auch im Übergang warst. In der Zeit des Wechsels in den Alltag mit all seinen Zwängen. Jetzt bist du 30. Spiegelt sich das auch in deiner Arbeit wider?

In meiner Jugend habe ich natürlich in erster Linie das gezeichnet, was mich persönlich interessiert hat. Mit den nächsten Büchern wollte ich jedoch mehr Abstand zu mir als Person nehmen und das hat gut geklappt. Es kamen neue Themen hinzu: Hexen, Vampire, Betrug, Verrat, Flüche, und und und. Natürlich rutscht trotzdem etwas von den persönlichen Interessen durch, aber ich versuche mich an der Zielgruppe zu orientieren. Denn meine Leser sind nach wie vor recht jung und das habe ich stets im Blick. Über das aktuelle Projekt kann ich leider nicht sprechen, aber wenn ich Manga-Zeichenkurse abhalte oder Auftritte auf Messen habe, dann taste ich bei meinem Publikum gern vor und zeige Entwürfe. Ich werfe Ideen in den Raum und schaue, ob die Teenies damit etwas anfangen können. Feedback ist mir sehr wichtig und da ich für meine Leser zeichne, liegt mir deren Meinung am Herzen.

Wo du schon die Zeichenkurse erwähnst: Ich habe im Netz auch gesehen, dass du zusätzlich auch Cosplay-Kimono-Nähkurse gibst. Das volle Japan-Popkultur-Fanprogramm also?

Das kommt immer drauf an, was sich der Arbeitgeber wünscht. Mit den Zeichenkursen habe ich vor 10 Jahren begonnen und inzwischen haben sie eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Viele meiner Leser kommen zu mir in die Kurse und wir sprechen über die Ausbildung oder das Studium. Da ich im kreativen Bereich arbeite, kann ich den Teilnehmern hoffentlich viel beibringen und auch Tipps zu eigenen Zeichenentwicklungen geben. Ich habe viele Teilnehmer, die über die Jahre immer wieder zu mir kommen. Manche studieren inzwischen oder jetzt eigene Werke heraus. Das ist SO aufregend! Dank Internet ist es auch leichter, den Kontakt zu halten und schnell Hilfestellung zu leisten. Am Liebsten mache ich natürlich die Zeichenkurse, aber inzwischen nähen wir auch Kimonos, basteln japanische Grußkarten oder falten Origami-Figuren. Am vergangenen Dienstag war ich an einer Schule und es gab 4 Stunden lang einen Kreativ-Workshop zum Thema Japan. Das war ein kleiner Vortrag, dann Origami und schließlich haben wir zusammen gezeichnet. Ich war sehr überrascht, wie gut die Kinder im 4. Schuljahr über Japan informiert waren! Sie stellten mir sogar Fragen über Tsunami und wussten über das Unglück in Fukushima bescheid. Dass viele von den Kindern riesige Pokemon-Fans waren, muss ich ja nicht erwähnen.

Noch einmal kurz zurück zu dem Handwerk hinter deiner Arbeit: Ich habe in einem Bericht gelesen, dass du „Catwalk“ noch ganz klassisch gezeichnet hast. Also: Vorzeichnen mit Bleistift, dann Konturieren mit Tusche und colorieren mit Aquarellfarben. Schließlich das Ganze scannen und am Computer verfeinern. Gehst du immer noch so vor oder bist du – wie viele japanische Mangakünstler auch – zwischenzeitlich auf einen volldigitalen Workflow umgestiegen?

Bei den schwarz-weissen Manga-Seiten hat sich nach wie vor nicht viel geändert: Ich benutze einen Bleistift für die Vorzeichnungen, schwarze Liner für die Außenlinien und scanne die Seiten ein. Dann kommen die grauen Rasterflächen mit Photoshop und fertig ist eine Mangaseite. Bei den Farbbildern hat sich so einiges getan. Früher habe ich fast ausschließlich mit Aquarell coloriert, dann bin ich auf die digitale Coloration umgestiegen und heute mache ich meist eine Mischtechnik. Wobei ich nach wie vor alles mit einem Bleistift vorzeichne und mit schwarzen Linern tusche. Ich mag es, wenn ich etwas Haptisches habe und es später in eine Mappe einheften kann. komplett digital zu arbeiten versuche ich noch zu vermeiden.
Ich male gern mit Acryl. Viele Büchereien wünschen sich große Bilder für die Wände. Auch haben wir das Thema Acryl in den Kursen und gestalten mit den Kindern unsere eigenen Werke. Manga und Comics sind sehr vielfältig. es wäre schade, nur mit einer bestimmten Auswahl an Malsachen zu arbeiten. Fotografie ist für meine Arbeit auch wichtig. Für Vorlagen, Hintergründe und sonstige Inspirationen. Ich reise sehr gern und nehme stets meine Kamera mit. Kleinste Ideen und Bildausschnitte können so festgehalten und später aufgearbeitet werden.

Mal was ganz anderes: Stell dir vor, du stehst eines morgens auf, gehst in die Küche, um dir einen Kaffee oder Tee zu machen. Du hörst plötzlich ein Geräusch, drehst dich um und da steht eine Fee. Da sie eine gute Fee ist, erfüllt sie dir einen Wunschi. Was darf es für dich sein?

Eine Wohnung in Tôkyô! Ich habe schon als Teenie davon geträumt: Immer wieder mal nach Japan fliegen zu können, um dort zu arbeiten. Eine eigene Wohnung wäre da schon sehr praktisch, wenn man die teuren Mietpreise bedenkt… Natürlich müsste die Wohnung mindestens 10 Räume haben, damit ich alle meine Zeichnerkollegen gleich mitnehmen kann. Eine gute Lage wäre auch super, so mitten in Shibuya…. oder Harajuku… Oder neben Tokyo Disneyland: dann hätte ich auch täglich neue Kitsch-Inspirationen…

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Samina. Bild: (c) Alexandra Völker

Und beruflich? Hast du da noch einen ganz großen, bislang unerfüllten Traum?

Oh ja! Zuerst möchte ich meinen Master-Abschluss schaffen, ich bin sehr gern an meiner Universität (Folkwang Universität der Künste). Es ist für mich als Zeichnerin eine große Bereicherung. Ich mache den Abschluss für mich persönlich und versuche selber Schwerpunkte zu setzen. Ich habe viel über die Kunst und Gestaltung gelernt und auch tolle Menschen getroffen, die mir sehr geholfen haben.
Und dann würde ich sehr gern schreiben, Kinder- und Jugendbücher und auch gleich die passenden Illustrationen und Cover-Gestaltungen dazu liefern. Ideen sind mehr als genug vorhanden und vielleicht erfüllt sich der Wunsch in den nächsten Jahren.

Du warst ja schon mal in Japan: Was hat dich denn am meisten überrascht und am meisten enttäuscht?

Japan ist für mich nach wie vor eins der schönsten Länder und ich versuche immer wieder mal hinzukommen. Überrascht bin ich stets über die Hilfsbereitschaft der Menschen: Als wir uns einmal verirrt haben und den Weg zum „Animate“ nicht gefunden haben (Ladenkette mit riesigem Manga und Anime-Sortiment), sprachen wir zwei Polizisten an. Sie haben uns zu Fuß bis zum Laden begleitet, das war wirklich nett. Auch hat mich das Bahnfahren überrascht. In Deutschland bin ich ebenfalls auf Bahn und Busse angewiesen und ärgere mich so oft über die Verspätung. In Japan ist das nie passiert, wirklich NIE. Dort fährt die Bahn auf die Sekunde genau ein. Kein Vordrängeln, kein Rumschubsen. Enttäuschungen hatte ich eigentlich keine, wir haben alles gesehen, was wir uns vorgenommen haben. Traurig haben mich die Obdachlosen gemacht. Ich war schockiert, als wir ältere Männer und Frauen abends beim Zurechtmachen ihrer „Betten“ in Kartons gesehen haben. Ich hatte zwar schon davon gehört, aber wenn du selber an ihnen vorbeigehst und das Elend in so einem eigentlich reichen Land siehst… das hat mich wirklich sprachlos gemacht.

Mehr von Alexandra Völker

Alexandra bei Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Alexandra_V%C3%B6lker
Offizielle Website: xela-city.de/
Alexandra auf Facebook: facebook.com/AlexandraVoelkerManga

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