Wenn in Japan die kalte Jahreszeit Einzug hält, dann wird es auch in den Wohnungen um einige Grad ungemütlicher. Während man dem Winter mit seinen Minusgraden in deutschen Breiten mit komfortablen Zentralheizungen erfolgreich entgegenwirkt, hat man in Japan völlig andere Methoden beim Kampf gegen die Kälte entwickelt.
Das einzige was man in Japan als „Zentralheizung“ bezeichnen könnte, ist ein in der Mitte des Zimmers platziertes Heizöfchen. Dieses Öfchen wird wahlweise mit Öl, Gas oder – wenn man es sich leisten kann – mit Strom betrieben. Leider hat dieser Versuch, die Wohnungstemperatur entscheidend über der Außentemperatur zu halten, nicht die Qualität einer soliden deutschen Zentralheizung und bringt zudem einige Probleme mit sich.
Portable Heizkörper
Um die ganze Wohnung gleichmäßig angenehm warm zu halten, müsste man in jedem Zimmer mindestens einen solchen Ofen aufstellen. Doch das wäre nicht nur sehr kostspielig, sondern auch ziemlich gefährlich – zumindest die Öl- und Gasöfen sollte man immer im Auge behalten, da sie eine nicht zu unterschätzende Feuergefahr in sich bergen. Immer wieder brennen japanische Wohnungen ab, weil Öfen beispielsweise unbeaufsichtigt zu nah an den traditionellen Papiertüren stehen. Eine beliebte Lösung für diese Probleme ist vor allem im Falle von Singlehaushalten, seinen Ofen immer mit sich in der Wohnung umherzutragen. Dies kann zwar zu logistischen und technischen Problemen führen – zum Beispiel gibt es unter Umständen nicht in jedem Raum einen Gasanschluss – doch auf diese Weise befindet sich zumindest immer eine Wärmequelle in der Nähe des Körpers.
Stinkende, laute und ineffiziente Wärmespender
Dazu kommt, dass die meisten Öfen entweder ein lärmendes Gebläse oder unangenehm riechende Abgase verursachen, die bei vielen Menschen zu Kopfschmerzen führen. So sind also die meisten Geräte nicht geeignet, mehrere Stunden am Stück, also vor allem die Nacht durch, zu laufen, geschweige denn im winterlangen Dauereinsatz. Man darf also spätestens beim Verlassen der Wohnung nicht vergessen, sämtliche Heizeinheiten abzustellen. Das fällt einem natürlich besonders schwer, wenn man weiß, das man auch nach einer nur 30 minütigen Abwesenheit in eine eiskalte Wohnung zurückkehren wird und dann das Heizungsspielchen von vorne anfängt.
Hi-Tech gegen Eiseskälte
Zum Glück hat sich die japanische Heizgeräteindustrie ganz nach dem Motto „Für jedes Problem gibt es ein Produkt“ eine ganze Reihe an Geräten einfallen lassen, um Japans Bevölkerung trotzdem unbeschadet durch den Winter zu bringen. Mit den ersten Anzeichen des Winters werden in den Geschäften die typisch japanischen Sommerartikel – vornehmlich Produkte wie Kakerlakenfallen oder Ventilatoren, die wiederum den Unannehmlichkeiten der heißen Jahreszeit Einhalt gebieten sollen – aus den Regalen geräumt und durch wärmespendende Geräte jeder Form und Funktionalität ersetzt. Hier kann man einmal mehr den berühmt-berüchtigten japanischen Erfindergeist erleben.
Damit man sich sprichwörtlich nicht den Hintern abfriert, gibt es beheizbare Klobrillen, die den empfindlichen Wärmebedarf auf der Toilette decken. Um sich auch in den kältesten Nächten in ein wohlig warmes Bett kuscheln zu können, gibt es die Möglichkeit, sich seinen Futon zu einem Toaster aufzumotzen: mit einer Hightech-Heizdecke über dem beheizbaren Futon und einem Heizkissen am oberen und einem Fußheizer am unteren Futonende. Ein unüberschaubares Angebot an Heizteppichen, Heizgebläsen, Heizlampen, mobilen Heizkörpern und sogar voll beheizbaren Stühlen, Sesseln und Sofas stellt sicher, dass jeder Form der Wärmenachfrage auch ein Angebot gegenüber steht.
Heißer Tisch
Doch die gemütlichste und wohl auch japanischste aller Wärmequellen ist der kotatsu. Der kotatsu ist ein etwa 40 cm hoher Tisch mit einer dicken Decke, die sich unter der Tischplatte befindet und an den Seiten bis auf den Boden reicht. Unter dem Tisch befindet sich eine Heizlampe. An kalten Tagen steckt man seine Beine unter die Decke und lässt sie grillen. Dabei trinkt man am besten einen heißen grünen Tee und unterhält sich mit seiner Familie oder Freunden über die warme Jahreszeit.
Schlechte Isolierung lässt den Winter spüren
Insgesamt betrachtet ist der Kampf gegen die Kälte in durchschnittlichen, japanischen Wohnungen eine gewöhnungsbedürftige Angelegenheit, die zusätzlich durch die unzureichende Isolierung der Fenster, Türen und Wände erheblich erschwert wird. Dünnste Einfachverglasung, Blechtüren mit fingerbreiten Spalten und eine fehlende Isolierung der Aussenwände machen so manche japanische Wohnung zu einer Umweltsünde. Da fragt man sich mit Recht, warum es in einem so reichen und fortschrittlichen Land wie Japan eigentlich keine umweltgerechten Häuser mit Zentralheizung nach beispielsweise deutschem Vorbild gibt. Abgesehen von einem sehr eigenen Umweltbewusstsein der Japaner gibt es tatsächlich doch halbwegs einleuchtende Gründe, warum es so ist, wie es ist. Zum einen fällt das Thermometer während der ohnehin schon kurzen Winterzeit in den dichtbesiedelten Gebieten Japans, das sind hauptsächlich die Ballungsräume Kantô, Tôkai und Kansai entlang der Pazifikseite, selten einmal unter Null. Richtig kalt wird es in diesen Regionen nur in den Monaten Dezember bis März. Auf der anderen Seite vertritt man in Japan die Meinung, dass sich eine teure Bauweise der Häuser, also mit Zentralheizung und aufwendiger Isolationstechnik, aufgrund der allgemein kurzen Lebenserwartung von Gebäuden auf der japanischen Inselgruppe einfach nicht lohnt. Es ist eine Tatsache, dass die zum Alltag der Japaner gehörenden Standard-Naturkatastrophen Erdbeben, Taifun und Tsunami regelmäßig einen Wiederaufbau der Wohneinheiten nötig machen.
Glücklicherweise ist der durchschnittliche dem Japaner zur Verfügung stehende – und damit der zu beheizende – Lebensraum an westlichen Masstäben gemessen relativ klein. Das hält die Heizkosten und die Umweltbelastung in Grenzen. Ich habe mich inzwischen an die japanischen Methoden, den doch vergleichsweise bescheidenen, winterlichen Temperaturen entgegenzutreten gewöhnt und im Falle des Kotatsu auch schätzen gelernt. Sie gehören für mich mittlerweile zu Japan wie Sushi oder Sumo.
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