In der Metrolregion Tōkyō leben aktuell rund 38 Millionen Menschen. Wo viele unterwegs sind, kann auch vieles verloren gehen oder vergessen werden. So gab es nach offiziellen Angaben 4,76 Millionen Dinge, die 2024 im Fundbüro landeten. Für die, die mit den Fundsachen arbeiten, eine logistische Herausforderung.
Alltag, wahrscheinlich überall auf der Welt: Der Podcast ist so spannend, dass der Hörer gerade noch so mitbekommt, dass die Zielhaltestelle erreicht wird. Doch der Turnbeutel inklusive der neuen Hallenschuhe mit heller Sohle bleibt jedoch im Bus zurück. Die nur mal für eine kurze Augenpause ausgezogene Lesebrille behält ihren Platz auf dem Beistelltisch inne, als ihre Besitzerin wie die anderen Fluggäste der Einstiegsaufforderung des Airline-Personals folgt. Nur zwei Beispiele von zurückgelassenen Dingen, die ihr Schicksal mit anderen abertausenden abgegebenen Fundsachen wie Smartphones, Kleidungsstücken und Portemonnaies, aber auch eher unerwarteten Dingen wie Gebissen und – in Tōkyō auffallend häufig vergessen – noch originalverpackten Toilettenpapierrollen teilen.
Der Fuji-San des Vergessens
Etwas zu verlieren oder zu vergessen ist nicht nur für die Eigentümer ärgerlich, sondern bringt für die bearbeitenden Fundbüros eine Menge Arbeit mit sich. Zunächst wird dort gesammelt und vorsortiert, wo der Verlust geschieht: Wird beispielsweise ein Kopfhörer in der Ringbahn der Yamanote-Linie liegen gelassen, landet er bei der verantwortlichen Stelle des Verkehrsverbunds JR East. Im Konbini wartet der stehen gebliebene Schirm erst einmal hinter den Kasse darauf, wieder abgeholt zu werden. Was nicht innerhalb der nächsten Tage eingefordert wird, landet früher oder später im Lost and Found Center der Tōkyō Metropolitan Police. Dort werden Bahnhofs-, Bus-, Taxi- und Einkaufsverluststücke gebündelt, drei Monate aufbewahrt – und dann, wenn sich niemand meldet, Eigentum der Stadt Tōkyō.
Vom Einzelhandschuh bis zur wertvollen Sammelkarte
Im täglichen Verlustrepertoire finden sich Klassiker wie Sonnenbrillen, Mützen, Lebensmittel- und Textileinkäufe genauso wie hochwertige Sammlerstücke, frisch gekaufte Designermode, limitierte Pokémon-Karten oder eben kleine bis größere Bargeldsammlungen.
Wurden die Fundstücke früher noch einzeln untersucht und mit einem Schätzwert versehen, haben die Beamten ihre Arbeitsweise geändert, um die von Jahr zu Jahr ansteigende Flut an Fundsachen bewältigen zu können. So werden die Gegenstände nicht mehr einzeln an spezialisierte Händler verkauft oder wie bei uns üblich versteigert, sondern paketweise für ¥ 117 (ca. 0,73 €) pro Stück weiter veräußert. Egal ob Einzelhandschuh oder Luxusparfum – der Preis bleibt gleich. Die Händler sortieren weiter und verkaufen auf Flohmärkten, Online-Auktionen oder exportieren für den japanischen Markt unverkäuflich erscheinende Stücke, zum Beispiel auf die Philippinen.
Ein Haufen Dinge und viel Bares: Fundsachen in Zahlen
- 4,76 Millionen Gegenstände wurden 2024 abgegeben
- Rund 30 % fanden den Weg zu ihren Besitzern zurück
- ¥ 4,49 Milliarden (ca. 28 Mio. €) Bargeld ging ein
- An die rechtmäßigen Eigentümer gingen hiervon ¥ 3,2 Milliarden (ca. 20 Mio. €) zurück
- ¥ 570 Millionen (ca. 3,6 Mio. €) gingen als Finderlöhne an ehrliche Finder
- Der Rest von rund 4,4 Mio € wurde nach der Haltefrist in die Stadtkasse eingezahlt
KI für die Kategorisierung
Seit Kurzem wird zur Minmimierung manueller Aufwände auf künstliche Intelligenz zurückgegriffen. In Sammelstellen von Bahnhöfen werden beispielsweise abgegebene Gegenstände fotografiert, automatisch erkannt, kategorisiert und gegenüber bereits eingegangenen Suchanfragen abgeglichen. Durch diese Maßnahme konnte die Rückgabequote von unter zehn auf etwa dreißig Prozent gesteigert werden. Ein echter Effizienzgewinn für eine Stadt, durch die sich täglich mehrere Millionen Menschen mit ihren Habseligkeiten bewegen.