Japanische Hochzeiten sind aufwendig, bis ins kleinste Detail geplant und unglaublich teuer. Der Mietpreis eines Hochzeitskleides übersteigt mit umgerechnet 800 bis 3.000 Euro häufig bereits den Kaufpreis eines deutschen Durchschnitthochzeitsoutfits. Und da es üblich ist, dass das Brautpaar im Verlauf des Abends seine Garderobe ein- oder sogar zweimal komplett zwischen japanischem und westlichem Stil austauscht, wird verständlich, auf welche Weise so stolze Summen wie 30.000 Euro oder mehr bei einer Hochzeit zustande kommen.
Dies war nicht immer so: Früher fanden japanische Hochzeiten im familiären Rahmen statt, die geringen Kosten wurden durch die finanzielle Unterstützung der dörflichen Gemeinschaft oder Nachbarschaft getragen. Heute allerdings lassen sich Japaner den „schönsten Tag im Leben“ etwas kosten. So ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile eine wahre Hochzeitsindustrie am Wunsch nach der perfekten „kekkon shiki“ profitiert. In jeder größeren Stadt stehen verlockende Hochzeitspaläste und blinkende Kapellen im Disney-Stil. Auch Hotels bieten ihre Banquettsäle für die Feierlichkeiten nach der Trauung an, und das nicht zu Schnäppchenpreisen. Je nach Geschmack und Budget kann das Brautpaar unter gemaltem Sommerhimmel, vor Säulen im gotischen Stil oder kunstvollen Blumenarrangements seinen Hochzeitskuchen anschneiden.
Die Auswahl scheint verwirrend groß, muss man sich doch zwischen japanischer Zeremonie mit Shintopriester oder christlicher Zeremonie mit Pfarrer, für den geeigneten Ort und viele andere Details entscheiden. Damit sich das Brautpaar nicht mit den nervenaufreibenden Vorbereitungen und Entscheidungen quälen muss, übernehmen gerne spezielle Hochzeitsfirmen die gesamte Organisation. Sie vermieten die Hochzeitskleidung, kümmern sich um Priester, Blumenschmuck, Fotografen, Musikauswahl und das Festessen. Große Anbieter wie zum Beispiel IZUMODEN bieten Trauungen in der eigenen Kapelle mit anschließender Feier im benachbarten Festsaal an, damit die Hochzeitsgäste keine weiten Wege zum Hochzeitsschmaus zurücklegen müssen.
Oft verlangt das Brautpaar nach blonden, blauäugigen Priestern, um die Trauung noch authentischer und romantischer zu machen. Da diese in Japan allerdings nur schwer zu finden sind, heuern die Organisatoren Austauschstudenten und andere Ausländer an, die für 20 Minuten in die Priesterrolle schlüpfen. Konfession, Gläubigkeit oder Qualifikation dieser Laienpriester spielt keine Rolle. Noch nicht einmal perfekte Japanischkenntnisse sind gefordert, da die wichtigsten Passagen vom Blatt abgelesen werden können. Die Zeremonie läuft immer nach dem gleichen Schema ab und da weder „Priester“, noch das Brautpaar einen Einfluß auf das Geschehen haben, kann auch nicht viel schiefgehen. Nur wenn das Brautpaar zu schüchtern sein sollte, sich vor versammelter Familie zu küssen, sind leichte Abwandlungen denkbar.
Der Gedanke, dass ein Scheinpriester die Trauung durchführt, dürfte jeden anständigen Christen aufschreien lassen. Japaner hingegen sehen das nicht allzu eng. Immerhin werden 60% aller Hochzeiten im christlichen Stil abgehalten, obwohl sich nur etwa 1,5% der Bevölkerung aktiv zum Christentum bekennen. Religiöse Gründe spielen also keine wichtige Rolle bei der Wahl der Zeremonie. Dies liegt sicherlich daran, dass Buddhisten und Shintoisten sehr tolerant im Umgang mit anderen Glaubensrichtungen sind und ein friedliches Nebeneinander der verschiedenen Religionen respektieren. Ob nun der Priester geweiht wurde oder nicht, ist also den Beteiligten völlig egal und auch aus religiöser Sicht keineswegs verwerflich. Wichtig ist einzig und allein eine schöne und romantische Trauung.
Aber nicht nur für die eigentliche Hochzeit müssen die Brautleute tief in die Tasche greifen: Um die Schwiegereltern und vielleicht auch die zukünftige Ehefrau zu beeindrucken, ist es üblich, dass der Bräutigam Verlobungsgeschenke in Höhe von drei Monatsgehältern überreicht. Aber auch nicht zur Hochzeit geladene Nachbarn und Bekannte sollen sich an der Heirat erfreuen und werden deshalb mit kleinen Snackpaketen, bestehend aus gewöhnlichen Keksen und Chips, beschenkt. Was Kartoffelchips mit einer Heirat zu tun haben, mag für Nicht-Japaner nur schwer nachvollziehbar zu sein. Weiss man jedoch, dass zu anderen Gelegenheiten Geschenkpakete mit Waschpulver und Konservendosen an Bekannte und Geschäftspartner verschickt werden, erscheinen Essengeschenke – seien sie noch so alltäglich – gleich nicht mehr so abwegig. Der Preis für diese Aufmerksamkeiten ist zwar relativ gering, bei einer großen Nachbarschaft wird es jedoch teuer. Nicht selten werden mehrere Tausend Euro ausgegeben.
Den Hochzeitsgästen dankt das Brautpaar für ihr Kommen sowie für ihre Hochzeits- und Geldgeschenke auf besondere Weise: Nach der Zeremonie erhält jeder Gast ein kleines Präsent, hikide-mono genannt. Da das Brautpaar in möglichst langer und guter Erinnerung bleiben möchte, ist eine persönliche Nuance bei diesen Geschenken besonders wichtig. Je nach Geschmack werden Weinflaschen, Süßigkeiten, Blumengestecke und Tonschalen, auf denen der Namenszug oder das Foto der Brautleute verewigt wurde, überreicht. 10 bis 50 Euro pro Gast sind hierbei unumgänglich.
Billiger und vielleicht auch romantischer kommen japanische Paare davon, die sich für eine Hochzeit im Ausland entscheiden. Besonders beliebt sind Reiseziele wie Hawaii, Guam oder auch Australien. Für eine pauschale 2-tägige Heiratstour braucht das Brautpaar lediglich umgerechnet 850 bis 4.000 Euro auf den Tisch zu legen. Auf den ersten Blick scheinbar auch kein Billigangebot, da jedoch aus Zeit- und Geldgründen häufig nur wenige Familienangehörige und Freunde an der Hochzeit teilnehmen können, spart das Brautpaar zusätzliche Kosten. Vielleicht ist es sogar der Wunsch nach weniger Formalitäten und Verpflichtungen gegenüber Gästen und Familie, der diese Heiratsvariante so beliebt macht. Oder liegt der Grund doch an den kleinen romantischen Kapellen unter Palmen, die den Hochzeitstag zu einem bleibenden Erlebnis machen sollen?
Einen Haken hat eine Hochzeit im Ausland für Japaner jedoch: Die Zeremonie wird meistens in Englisch abgehalten. Und so geschieht es wohl nicht selten, dass die Brautleute aufgrund mangelhafter Englischkenntnisse nicht in der Lage sind, den Wortlaut der Zeremonie zu verfolgen, oder die entscheidenden Worte des Priesters zu wiederholen. Und das macht sich natürlich nicht gut auf dem Erinnerungsvideo.
Hochzeiten im In- oder Ausland sind ohne Zweifel eine schöne Sache, für die Hochzeitsgäste jedoch eher eine langweilige Angelegenheit. Dies liegt vor allem an den viel zu langen Reden, die von Verwandten und engen Freunden, aber auch Vorgesetzen und Arbeitskollegen vorgetragen werden müssen. Und das scheinbar nicht auf die unterhaltsamste Art und Weise. Wie gut, dass man nach der offiziellen Feier mit dem Brautpaar und allen Freunden zu einer Nachfeier im Lieblingsrestaurant verschwinden kann, wo der gemütliche Part der Hochzeit beginnt.
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