Die nahe Zukunft: Punk-Katzenmädchen Tamala verbringt ihr noch frisches Leben auf der Katzenerde mit nächtlichen Streifzügen durch Gonnosukezaka in Tôkyôs Meguro-City und einem Trip zum Heimatplaneten Orion. Dabei begegnet das Kätzchen in seiner vorwiegend schwarz-weiß-rot gefärbten Welt lästigen Zombies und hungrigen Wölfen. Alles halb so wild und beinahe schon langweilig. Schließlich gibt es auch noch den coolen Kater Michelangelo, eine Verschwörung der CATTY & Co. auf Planet Q aufzuklären und – wie punk – einige Dinge zu zerstören. Doch eine Sache wurmt das großäugige Kuschelraubtier dann doch: Ihr Leben wiederholt sich unablässig von der Geburt bis zum ersten Geburtstag. Aber warum?
Das wollten wir auch von TSUTSUMOTO Michirô, Animator und Mitglied des Künstlerkonsortiums „trees of Life“, das sich für Regie, Drehbuch, Produktion und Musik des schrillen Anime verantwortlich zeichnet, wissen. Im Rahmen des dritten „Nippon Connection“- Film Festivals in Frankfurt, bei dem „Tamala 2010 – a punk cat in space“ am 11.04.2003 seine Europapremiere feierte, hatten wir bei einem ausführlicheren Gespräch Gelegenheit, nachzufragen.
Japanlink: Herr TSUTSUMOTO, warum hängt Tamala in ihrem ersten Lebensjahr fest? Gibt es hier, wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“, bei dem der von Bill Murray gespielte TV-Wetterfrosch Phil dazu verdammt ist, immer wieder denselben Tag zu erleben, bis er massiv seinen Charakter verbessert hat, so etwas wie eine „Moral von der Geschicht‘?“
TSUTSUMOTO Michirô kratzt sich lange und nachdenklich am Kinn, während er auf den kleinen Bildschirm des Mini-VAIO starrt, auf dem er uns Tamala- Filmausschnitte und Kurzfilme zeigt.
TSUTSUMOTO: Nun… der Film spielt mit Widersprüchen, mit dem Paradoxon, dass Tamala immer wieder das erste Jahr erlebt. Natürlich kannten wir, der Regisseur des Films und ich, den Film mit Bill Murray. Tamala ist aber inhaltlich und visuell stärker von Romanen und Science Fiction-Filmen beeinflusst…
Japanlink: … z.B. von Philip K. Dick und Fritz Langs „Metropolis“…
TSUTSUMOTO: Ja, genau. Warum Tamala nun das erste Jahr immer und immer wieder erlebt? Ich denke, den Sinn muss sich jeder Zuschauer für sich selbst überlegen.
Japanlink: Ist „Tamala 2010“ ein eigenständiger Film oder gab es vorher schon einen Manga, an den sich der Anime anlehnt?
TSUTSUMOTO: Zuerst gab es eine Reihe von dreiminütigen Kurzfilmen, die wir bei Clubevents in Tôkyô und anderen Städten bei unseren DJ-Sets an die Wand warfen. Die Mitglieder von „t.o.L. (trees of Life)“ haben alle etwas mit Musik zu tun. Der Soundtrack zu Tamala stammt komplett von uns. Ich persönlich habe vorher die Grafik-Art für Konzerte verschiedener Gruppen und Artists kreiert. 10 Jahre lang habe ich so verschiedene Künstler begleitet. Es gab ein paar Comic-Strips, die in verschiedenen Zeitschriften, wie in der japanischen Ausgabe der Elle und der Vogue veröffentlicht wurden. Ein kompletter Manga existiert noch nicht, ist zur Zeit aber in Produktion. Genau wie weitere Kurzfilme, die wir auf Konzerten oder als Installationen einsetzen können. Zudem gab es in Tôkyô verschiedene Ausstellungen und nun auch verschiedene Merchandising-Artikel von T-Shirts, über Action Figuren bis hin zum Honda Tamalatti, einem Elektro-Fahrrad. Im Mittelpunkt steht immer Tamala. Sie ist dabei so etwas wie eine Marke.
Derartige Marken-Artikel könnten Erfolg haben: Tamala erinnert an eine Kreuzung aus TEZUKA Osamus Astroboy und dem Kult-Kätzchen Hello Kitty. Sie sind cool und dabei so grafisch und zeitgemäß, dass sich auch trendbewusste Leute T-Shirts überstreifen können, auf denen Roboterkatze Tatla dem Betrachter zuzwinkert, ohne wie ein bemitleidenswerter Kindskopf zu wirken.
Japanlink: Wie lange haben Sie an „Tamala 2010“ gearbeitet? Wie viele Leute waren an der Produktion beteiligt?
TSUTSUMOTO: Während an der Entwicklung der Kurzfilme drei Leute beteiligt waren, haben wir zu fünft an dem Kinofilm gearbeitet. Die Produktion eines fünfminütigen Kurzfilms beanspruchte etwa zwei bis drei Monate, die des Films natürlich etwas länger. Dadurch, dass wir unser System immer weiter optimiert haben, wurde es trotzdem kein Lebenswerk.
Japanlink: Tamala ist alles andere als ein durchschnittlicher Anime. Weder was die Story und Anmutung des Streifens angeht, noch die Produktion: „Tamala 2010“ entstand komplett am Rechner unter Einsatz von Standard-Software.
TSUTSUMOTO: Richtig. Wir haben für alle 2D Ansichten, Texturen und die Bezierkurven Software eingesetzt, wie sie in jedem Grafikstudio und jeder Agentur zum Einsatz kommt, wie Adobe Photoshop und Illustrator. Für die 3D-Einstellungen haben 3D Studio Max verwendet.
Japanlink: Was ist für die Zukunft geplant? Wird es einen zweiten Tamala Film geben?
TSUTSUMOTO: „Tamala 2010“, der im Oktober 2002 in Japan Erstaufführung hatte, wird zur Zeit noch auf verschiedenen Filmfestivals auf der ganzen Welt gezeigt. Bislang gibt es für dieses privat initiierte Projekt leider noch keinen Verleiher, aber ich könnte mir vorstellen, dass er auch in Programmkinos gezeigt wird. Je nachdem wie erfolgreich der erste Film läuft, wollen wir noch einen zweiten abendfüllenden Spielfilm produzieren. Fest eingeplant ist allerdings eine Fernsehserie unter dem Arbeitstitel „Tamala in Space“. Diese wird mehr auf den explodierenden Charme und die Punk-Natur von Tamala eingehen, garniert mit heißer Optik und Musik. Zudem wird es weiterhin CD-Releases und Pop Culture-Events in verschiedenen Metropolen wie Tôkyô, Paris, London und New York City geben. Alles unter dem Label „Tamala 2010 Project“.
Japanlink: Herr TSUTSUMOTO, wir bedanken uns für das interessante Gespräch.
Info Box
Tamala 2010 – A Punkcat in Space,
Japan 2001
Regie und Drehbuch: trees of Life (t.o.L.)
Soundtrack: Trees of Life
Sprecher (OV): Béatrice Dalle (Tatla), KATÔ Takeshi (Zombiekatze), MOCHIZUKI Hisayo (Tamala), TAKEDA Shinji (Michelangelo)
Verleih (D): Rapid Eye Movies
92 Minuten (Farbe).
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