Wer hat nicht noch immer, wenn er an Angestellte in Japan denkt, das Klischee von der Office Lady (kurz: OL) im adretten Kostüm vor Augen, die nur angestellt wurde, um zu fotokopieren und ihren männlichen Kollegen Kaffee zu servieren? Oder assoziiert damit nicht den emsigen Salary Man (sarari man) im grauen Anzug, der morgens in der Früh in der Firma antritt und viele Überstunden schiebt, wenn es sein muss, auch am Wochenende im Büro erscheint und dabei auf einen Großteil seines Urlaubsanspruches verzichtet?
Dieses Bild trifft auf die „Freeter“ (furiitaa) genannten Jugendlichen nicht mehr zu. Sie stellen eine rasch anwachsende Gruppe von Jugendlichen dar, die nach Abgang von der Schule oder Universität (mit oder ohne Abschluss) keinen Arbeitsplatz finden – oder erst gar nicht eine Anstellung auf Lebenszeit in einem Unternehmen anstreben – sondern alternativ durch Jobben (arubaito = leitet sich von dem deutschen Wort „Arbeit“ ab und steht für Teilzeitarbeit) ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Begriff „Freeter“ ist die Kurzform der englisch-deutschen Wortkreuzung „Freetime-Arbeiter“.
Freeter sind beliebte Arbeitskräfte in Berufen, für die es wenig Ausbildung bedarf, wie zum Beispiel im Gastronomie- oder Einzelhandelsgewerbe. Ihr Lohn ist meist extrem niedrig. Je nach Bedarf, kann der Arbeitgeber Freeter rekrutieren und, bei plötzlichem Nichtbedarf, sich schnell wieder von ihnen trennen. Genauso problemlos kann der Freeter das Arbeitsverhältnis aufkündigen. Darüber hinaus genießt er gegenüber Gleichaltrigen im Angestelltenverhältnis zumeist die Freiheiten, seine Arbeitszeit eigenständig einteilen zu können und sich zu seinen modischen Vorlieben, wie zum Beispiel zu blond gefärbten Haaren oder Piercings, auch am Arbeitsplatz bekennen zu dürfen. Viele Freeter träumen davon, durch ihren Job, den Absprung in andere Bereiche, wie beispielsweise zur Kunst, zu schaffen.
Immer weniger zur Verfügung stehende Vollzeitarbeitsplätze in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, und gleichzeitig immer mehr Jugendliche, die ihre Jugend ausleben möchten und wählerischer bei der Berufswahl werden, begünstigen den raschen Anstieg der Zahl der Freeter.
Laut der Weißbuchausgabe zur allgemeinen Beschäftigungslage aus dem Jahre 2000 gab es im Jahre 1997 in Japan landesweit 1,5 Millionen Freeter im Alter zwischen 15 und 34 Jahren. In einer anderen Untersuchung aus dem letzten Jahr wurde die Zahl der Freeter auf mehr als 2 Millionen geschätzt. Die Arbeitslosenrate von Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 betrug allein im Juli dieses Jahres 9.4 Prozent – die höchste Rate unter allen Altersgruppen.
Laut einer Untersuchung des Gesundheits-, Arbeits- und Wohlfahrtsministeriums, würden 70% der Freeter ihren Teilzeit-Job gegen eine Festanstellung tauschen, um der Unsicherheit, die das Leben als Teilzeitarbeiter beinhaltet, zu entkommen. Und irgendwann werden auch die „ewigen Freeter“ eine Altersgrenze erreicht haben, die es ihnen schwierig macht, noch einen Job zu finden.
Aus diesem Grunde und um einem weiteren Anwuchs der Arbeitslosenquote von Jugendlichen entgegenzuwirken, wurde als erste Maßnahme im Sommer dieses Jahres in Ôsaka ein staatliches Arbeitsvermittlungsbüro mit dem Namen „Young Support Plaza“ eingerichtet, das sich auf die Unterstützung von Arbeitssuchenden in der Altersgruppe von 30 Jahren und jünger spezialisiert hat. Das „Young Support Plaza“ bietet für Jugendliche ein kostenloses, zweimonatiges Training an, das Begabungstests, Beratung bei der Arbeitsplatzsuche, Hilfe bei der Formulierung des Lebenslaufes, Computerunterricht, Gruppendiskussionen und anderes beinhaltet. Bei den ersten 140 Programmabsolventen fiel besonders die Geschlechterkombination auf, bei der auf fünf Männer eine Frau kam.
Falls das Programm von „Young Support Plaza“ von jugendlichen Arbeitslosen und Freetern angenommen wird und auch in weiteren Städten Nachahmer findet, wird es sicher dazu beitragen können, dass Jugendliche besser auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereitet sind. Jedoch bleibt abzuwarten, ob die Absolventen von „Young Support Plaza“ bei den Arbeitgebern auf Akzeptanz stoßen werden. Bisher sind Freeter, die den Einstieg in die Arbeitswelt wagen, gegenüber frischen Uniabsolventen, stark benachteiligt. Das Image von Leuten, die ihren Arbeitsplatz häufig wechseln, ist bei den Personalchefs der Wirtschaftskonzerne nach wie vor negativ. Bestätigung für ihre Vorurteile meinen sie in soziologischen Studien zu finden, die der Jugend immer weniger Anpassungsfähigkeit und Verantwortungsgefühl zutrauen, während sie sich zunehmend weigern, erwachsen zu werden. Von den frischen Universitätsabsolventen hingegen erhofft man sich, sie noch formen zu können.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Beschäftigungssituation von jungen Menschen in Japan zum Positiven wenden wird. Es wäre wünschenswert, wenn auch die Arbeitgeber, die heute weder Festanstellung auf Lebenszeit, noch Karrierechancen in ihrem Unternehmen garantieren können, ihre Ansprüche gegenüber den Aspiranten mäßigen würden. Das Zugeständnis fairer Arbeitsbedingungen, die nicht zum Verzicht von Urlaub oder zur Leistung von einer Vielzahl von Überstunden zwingen und eine Innovation der Ausbildung im Unternehmen, wären ein erster Schritt, Jugendliche wieder zu mehr „Lust auf Karriere“ zu motivieren.