Totoro gibt es in Japan als Stofftier, als Aufdruck für T-Shirts und Bettwäsche, als Hausschuhe, Rucksack oder Schlüsselanhänger, auf Uhren, Postern und Geschirr. Es gibt Totoro-Wecker, Regenschirme, Stifte und Wandaufkleber. In Sachen Bekanntheit und Beliebtheit ist Totoro die japanische Mickey Mouse.
Aber… wer oder was ist er eigentlich? Manchmal wird er als „großes pelziges Ding“ beschrieben, als „Kaninchen-Geist“ oder als „Mischung aus Katze, Eule und Waschbär“. Wie auch immer – die Figur des Totoro beruht nicht auf der japanischen Mythologie, sondern ist eine Erfindung seines Schöpfers MIYAZAKI Hayao.
MIYAZAKI ist hierzulande vor allem als kreativer Kopf der Anime-Serie „Heidi“ bekannt – in Japan wird er verehrt als der größte Animationsfilmer aller Zeiten. Viele seiner Filme waren große Erfolge, die auch internationalen Kassenschlagern den Rang abliefen. Doch auch international ist er geschätzt, für „Chihiros Reise ins Zauberland“ bekam der 2003 den Oskar, 2015 dann noch einen für sein Lebenswerk.
Doch so weit war es 1988 noch nicht und tatsächlich galt „Mein Nachbar Totoro“ daher zunächst als finanzielles Risiko. Erst drei Jahre zuvor hatten MIYAZAKI Hayao und sein Lehrmeister TAKAHATA Isao ihre eigene Produktionsgesellschaft Studio Ghibli gegründet – und waren sich nicht sicher, ob die Geschichte über zwei Mädchen und einen Waldgeist die Menschen wirklich ins Kino zieht. Die Lösung: „Totoro“ wird zusammen als Double-Feature mit dem von TAKAHATA inszenierten Film „Die letzten Glühwürmchen“ gezeigt, der auf einer bekannten Geschichte beruht, die viele Schulen auf dem Lehrplan haben.
Zwei Mädchen und ein Waldgeist – zum Inhalt
„Mein Nachbar Totoro“ erzählt die Geschichte von Satsuki, die mit ihrer kleinen Schwester Mei und ihrem Vater zusammen aufs Land zieht. Von hier aus können sie ihre Mutter im Krankenhaus besuchen und darauf warten, dass diese endlich wieder nach Hause entlassen werden kann. Das neue Zuhause auf dem Land entpuppt sich als etwas baufälliges kleines Häuschen, in dem kleine Geister – die Rußbolde – wohnen. Das sind nicht die einzigen seltsamen Wesen, denen die Mädchen begegnen.
Auf ihren Streifzügen durch die Natur treffen sie auch auf den Waldgeist „Totoro“, der über den Wald wacht, die Bäume zum Wachsen bringt und manchmal aber auch ganz einfach auf den Bus wartet. Doch während die Mädchen auf den normalen Bus warten, staunen sie sehr, als Totoro in einen geheimnisvollen Katzenbus (ja, eine Katze, die gleichzeitig ein Bus ist) steigt.
Die Mädchen leben sich immer mehr ein, nehmen nach und nach Kontakt zu den Nachbarn auf und warten auf die Heimkehr der Mutter. Die Stimmung kippt, als diese kurz vor der geplanten Entlassung aus dem Krankenhaus einen Rückfall erleidet. Satsuki und Mei streiten sich deswegen und auf einmal ist Mei verschwunden…
Ein Asteroidengürtel namens Totoro
Trotz Double-Feature lief „Mein Nachbar Totoro“ zunächst etwas schleppend an. Über die Jahre hinweg fand er aber immer mehr Fans, erlangte Kult-Charakter und gilt heute als einer der beliebtesten Animationsfilme überhaupt.
Totoro wurde zum Logo für Studio Ghibli und der Katzenbus ist eine der Hauptattraktionen im Ghibli-Museum in Tôkyô. Totoro hat zahlreiche Gastauftritte in japanischen und westlichen Anime hinter sich, unter anderem in Toy Story 3 und South Park. Auch ein Asteroidengürtel wurde nach ihm benannt sowie der Stummelfüßer Eoperipatus totoro.
Verschwörungstheorien – ein Todesgott?
Neben seiner offiziellen Seite als liebenswerter shintoistischer Waldgeist kursiert aber noch eine andere Interpretation des Films: Laut dieser Theorie ist Totoro ein Todesgott und die Mädchen können ihn nur sehen, weil sie selber bereits tot sind. Fans dieser düsteren Deutung führen unter anderem folgende Indizien dafür an:
- 1963 gab es einen realen Mordfall in Sayama. Ein Mann entführte ein 16-jähriges Mädchen, vergewaltigte und ermordete sie. Ihre Schwester fand die Leiche und berichtete später, sie habe ein großes Katzenmonster gesehen.
- Der Mordfall geschah im Monat Mai und sowohl „Satsuki“ als auch „Mei“ können als „Mai“ übersetzt werden.
- Beim Auspacken der Kisten im neuen Haus steht im Hintergrund eine Kiste mit der Aufschrift „Sayama Tee“.
- Am Ende des Films haben Mei und Satsuki keine Schatten mehr – trotz Sonnenschein.
- Als die beiden Mädchen in den Katzenbus einsteigen, wechselt die Anzeige mit der Ortsbezeichnung. Eine Anzeige lautet dabei „Weg zum Friedhof“.
MIYAZAKI Hayao widersprach dieser Interpretation und erklärte zum Beispiel, dass am Ende ganz einfach die Zeit gefehlt habe, die Schatten zu malen. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass MIYAZAKI in dem Film seine eigene Kindheit verarbeitet hat. Denn als er noch ein Junge war, erkrankte seine Mutter an Tuberkulose und musste viele Jahre im Krankenhaus verbringen. Für MIYAZAKI und seinen Bruder eine schwere Zeit.
Letztendlich muss dies aber wohl jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden.
Info Box
Tonari no Totoro,
Japan 1988
Regie/Drehbuch: MIYAZAKI Hayao
Sprecher (Japanische Fassung): SAKAMOTO Chika (Mei), TAKAGI Hitoshi (Totoro), HIDAKA Noriko (Satsuki), AMAGASA Toshiyuki (Kanta)
86 Minuten (Farbe), FSK: 0