Könnten Sie sich in die Hose machen vor Lachen, wenn zwei Männer – einer groß gewachsen und halbwegs attraktiv und einer klein, bebrillt und weniger attraktiv – auf einer Bühne stehend die Namen von Körperteilen hinausbrüllen, die die meisten von uns gemeinhin züchtig unter Unterwäsche verbergen? Dann sind Sie entweder leicht zu erheitern oder 12 Jahre alt. In jedem der genannten Fälle könnten Sie zur Kernzielgruppe des Sundance-Festival-Abräumer „Bleep Brothers“ gehören.
Erste Feststellung: Mono-mimisches Schauspiel ist nicht vererbbar. Steven Seagals Sohn Kentarô tritt in seiner Rolle als Tatsuo, Bruder Nummer eins, den sichtbaren Beweis an. Zweite Feststellung: Ex-Manzai-Profi Zenjirô bringt zwar seine Arbeits- und Lebenserfahrung in seine Rolle des kleineren Bruders Ikuo ein, macht die überlang empfundene Laufzeit des Streifens dadurch aber nicht erträglicher.
Die Story
Tatsuo und Ikuo wollen sich ihren Lebensunterhalt als Manzai-Komiker verdienen. Manzai ist eine Zwei-Mann-Dialog-Standup-Comedy, die größtenteils mit Einzeilern arbeitet und bei der eine feste Rollenverteilung vorliegt. Einer der beiden manzaishi ist dabei der boke, der Blödmann. Seine Aufgabe ist es, das Publikum mit Unfug und Tölpelhaftigkeit zu erfreuen. Das Gegenstück ist der tsukkomi, der dem boke die Stichwörter gibt, besonders Dummes erfolglos zu korrigieren versucht und sich durch weitere verbale Torheiten seines Gegenüber, die in sich aber logisch schlüssig sind, irgendwann in der Argumentationssackgasse befindet. Bei unseren Brüdern gibt Ikuo den tsukkomi, der auch alle Texte des Duos schreibt und Tatsuô den Kurzdenker.
Doch die ungleichen Brüder stoßen bei ihrer Absicht mit Lachern Geld zu verdienen schnell auf ein ernstzunehmendes Hindernis: Niemand möchte über ihre Manzai-Darbietungen lachen. Um über die Runden zu kommen, helfen sie daher im elterlichen Bestattungsunternehmen aus und verdingen sich abends als Pausenclowns in einem schäbigen Strip-Clubs. Beides hat neben Geld und Erfahrung auch zwei weitere Vorteile: Ikuo lernt auf einer Beerdigung Fumie (Mireiyu) kennen und lieben. Tatsuô erkennt indes an einem besonders trüben Abend auf der Bühne, dass sich ungehemmte Lacher mit der vulgärsprachlichen Bezeichnung der weiblichen primären Geschlechtsteile einfahren lassen. Da dreckige Wörtchen allein das Publikum nicht lange gefangen halten, werden diese in Geschichten von angeblichen sexuellen Eskapaden des großen Bruders eingebettet. Das hat Format, findet zumindest der dringend nach einem neuen Erfolgskonzept dürstende TV-Regisseur Arisawa (KAGAWA Teruyuki), und stellt die beiden vor eine Kamera.
Auch wenn das japanische Fernsehen allgemein nicht zimperlich ist in der Darstellung von Gewalt und Nacktheit, leistet es sich – wie das US-Fernsehen – die Bigotterie, verbal Anzügliches mit einem vornehmen Piepton zu überdecken. Bleep! Und genau das Fehlen des vorstellbaren Ordinären macht den Erfolg des neuen Formats aus: Das Manzai-Duo wird in Kürze zu den gefeierten Bleep Brothers.
Leider beschränkt sich die Medienkritik, die Regisseur und Drehbuchautor FUJITA der offiziellen Internetseite zufolge als Kernpunkt des Films ansieht, auf eben diese Scheinheiligkeit der Medien und der Ausnutzung ihrer Mechanismen. Aufgefüllt werden die insgesamt 102 Filmminuten durch die Entfremdung der Brüder mit Anstieg ihres Erfolgs, Ikuos Liebesgeschichte und Tatsuôs Einsamkeit, die er trotz aller One-Night-Stands verspürt. Dabei kann sich der Film in weiten Teilen nicht recht entscheiden, ob er nun bissige Medienkritik, Komödie oder Drama sein will. Am Ende ist aus dem eigentlich guten Ansatz ein Spielfilm geworden, bei dem man als Zuschauer zu häufig auf die Uhr schaut.
Info Box
Pi Pi Kyôdai (Bleep Brothers),
Japan 2001
R und Drehbuch: FUJITA Yoshiyasu
Kamera: MASANOBU Seike
Soundtrack: Ôi Hideki, Fujita & KIRA Tomohiko
D: Kentarô Seagal (Tatsuô), Zenjirô (Ikuo), Mireiyu (Fumie), KISHIBE Ittoku (Vater), TANAKA Yuko (Mutter), KAGAWA Teruyuki (Arisawa), KIDA Tarô (Koyanagi), KOBAYASHI Asako (Miki)
124 Minuten
Verleih (Deutschland): Cinema 10