Auf den ersten Blick erscheint es vielen Europäern seltsam, dass in Japan traditionell auf dem Boden gesessen wird. Aber ist die bei uns bevorzugte Art des Platznehmens auf Stühlen oder Sesseln überlegen? Für viele Traditionalisten aus Asien ist das sicherlich eine ebenso abwegige Vorstellung behaglichen Wohnens.
Warum aber bevorzugen viele Japaner die auf dem Boden liegenden Sitzkissen? Zum einen ist diese Sitzweise Tradition und gehört sozusagen zur japanischen Kultur. Man unterscheidet zwei Grundarten des Sitzens: seiza und aguda. Bei seiza (übersetzt: sei = korrekt; za = sitzen) hockt man auf den Fersen, mit aguda bezeichnet man den Schneidersitz, der üblicherweise den Männern vorbehalten ist. Frauen, die nicht breitbeinig sitzen sollten, nehmen daher im Fersensitz Platz. Aber natürlich finden sich auch schon Frauen, die im aguda sitzen.
Ein weiterer wichtiger Grund sind vermutlich die beengten Verhältnisse japanischer Wohnungen. Da ist es einfach praktisch, wenn man den Platz auf der Tatami-Matte, auf der man tagsüber gesessen und gegessen hat, nach dem Ausrollen des Futon als Platz zum Schlafen verwenden kann – ohne noch irgendwo Sitzmöbel unterbringen zu müssen.
Obwohl der westliche Einfluss in Japan stark ist, findet sich in den meisten Wohnungen auch heute noch neben einem Raum mit Tisch und Stühlen ein traditionelles Tatami-Zimmer, in dem man auf dem Boden sitzt. Aus diesem Grund ist es in Japan auch tabu, mit Staßenschuhen in der Wohnung herumzulaufen. Oft sind sogar für Toilette und Bad verschiedene Slipper vorgesehen. In Schulen und Büros hingegen sind auch in Japan Stühle üblich. Dort sitzt niemand mehr auf dem Boden.
Gesundheitlich gesehen sind die japanischen Sitzgewohnheiten durchaus sinnvoll. Der Fersensitz zum Beispiel ist eine der natürlichsten Sitzhaltungen überhaupt. Das erkennt man schon daran, dass Kinder oft stundenlang in dieser für viele Erwachsene so unbequem erscheinenden Haltung verweilen. Nach jahrzehntelangem Stuhl- und Sesselsitzen in Auto, Büro, Schule, Kino, Theater, Restaurant und so weiter muss sich der Körper erst schrittweise wieder an eine andere Sitzhaltung gewöhnen, weil Muskeln und Gelenke plötzlich anders beansprucht werden.