Das süße Versprechen des Siegs

Vom britischen Schokoriegel zum japanischen Glücksbringer: Warum KitKat in Japan mehr ist als nur ein süßer Snack.

Das süße Versprechen des Siegs

Die Nacht vor der großen Aufnahmeprüfung. Im Zimmer stapeln sich Lehrbücher und leere Energydrink-Dosen. Das Notebook gibt einen Überblick über all das, was Thema sein könnte. Und über das, was Yui eigentlich noch alles wissen sollte. Sie schaut nervös auf die Uhr – und dann greift sie nach einem kleinen Riegel, der ihr in diesem Moment mehr bedeutet als jeder Lehrstoff: KitKat. So wie „Kitto katsu“,  Du wirst bestimmt gewinnen. Die Schokolade wird hier nicht nur gegessen. Sie wird beschworen.

Ein süßer Glücksbringer

KitKat kam 1973 nach Japan. Anfangs ein Schokoriegel unter vielen, ohne große Aufmerksamkeit. Erst das Wortspiel zwischen „KitKat“ und „kitto katsu“ – ein Ausdruck, der sinngemäß „sicher siegen“ bedeutet – verhalf der Marke zum Durchbruch. Clever platzierte Marketingaktionen verbanden den Riegel bald mit den wichtigen Aufnahmeprüfungen, die in Japan über den Lebensweg entscheiden können.

2009 startete Nestlé sogar eine Kooperation mit der japanischen Post (Japan Post). Über spezielle Postkarten konnten Familien und Freunde KitKat-Riegel mitsamt einer persönlichen Botschaft direkt an Prüflinge verschicken. Damit wurde aus der Schokolade ein Glücksgruß im Briefkasten – und ein Ritual, das die Symbolkraft des Produkts noch weiter verstärkte.

Mehr als ein Schokoriegel

Heute gilt KitKat in Japan als Nummer eins im Schokoladenmarkt. Seit 2012 übertrumpft der Riegel sogar Meiji, lange Zeit unangefochtener Platzhirsch bei Schokotafeln. Dabei ist vielen Japanerinnen und Japanern gar nicht bewusst, dass KitKat ursprünglich ein britisches Produkt des Unternehmens Rowntree war, das seit der Übernahme im Jahr 1988 durch den schweizerischen Lebensmittelkonzern Nestlé vertrieben wird. In Japan wirkt der gut teilbare Riegel so selbstverständlich verankert, als sei er hier erfunden worden. 

Die Gründe für den Erfolg in Japan sind vielschichtig:

  • Saisonale Vielfalt: Mehr als 400 Sondereditionen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt – von Grünem Tee über Sake und Süßkartoffel bis hin zu Wasabi.
  • Regionale Spezialitäten: In Hiroshima gibt es Pfirsich-KitKat, in Hokkaidō Melone, in Kyōto Matcha. Diese Regionalflavours werden gerne als Omiyage, also kleine Mitbringsel von einer Reise, mitgenommen und verschenkt.
  • Markenkooperationen: Limitierte Kombinationen bekannter Marken wie „KitKat X Tokyo Banana“
  • Begrenzte Verfügbarkeit: Viele Sorten sind nur kurze Zeit erhältlich. Diese Verknappung zahlt auf den Sammeltrieb ein.

Kultur trifft Marketing

Nicht nur dank seines Namens passt KitKat gut in die japanische Konsumkultur. Die Schokoriegel sind handlich, verpackt, vielseitig kombinierbar – genau richtig für Convenience Stores und Raststätten an überregionalen Schnellstraßen. Vor allem aber dockten sie an die in Japan enorm wichtige Omiyage-Tradition an: Statt T-Shirts bringt man von Reisen regionale Köstlichkeiten mit. Was früher handgemachte Spezialitäten waren, sind heute oft bunte, nur in bestimmten Regionen erhältliche Schokoriegel im praktischen und stilsicheren Karton.

Und Yui? Sie kennt verschiedene Sorten und natürlich die motivierende Grußformel für alle, die sich an eine Herausforderung heranwagen. Und viel mehr muss sie für ihre Prüfung auch nicht wissen. Da gibt es noch genug andere Dinge, die sie sich in den verbleibenden Stunden noch draufschaffen muss. Da kann ein kleiner, süßer Snack nicht schaden.

Fundstücke in einem Regal.
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