Die Axt im Chrysanthemenwald

Fettnäpfchenführer Japan

Die Axt im Chrysanthemenwald

Obwohl man es anfangs dafür halten mag – dieses Buch ist kein Reiseführer, kein typischer Kulturguide und auch kein reines Benimm-Regelwerk für das Land der aufgehenden Sonne. Aber doch ein bisschen von allem. Die Axt im Chrysanthemenwald bietet weit mehr als eine bloße Aneinanderreihung von Standards, an die sich der verblüffte Japan-Neuling halten sollte, um in der japanischen Gesellschaft wenigstens ein bisschen Fuß fassen zu können. Dabei geht das Autorenteam Kerstin und Andreas Fels – beide begeisterte und eingefleischte Japan-Fans – sehr lustig und behutsam vor, um einem die oft doch sehr befremdlich wirkende Kultur und Lebensweise der Japaner näher zu bringen.

Hauptfigur des Buchs ist der in einem Chemieunternehmen angestellte Geschäftsmann Herr Hoffmann aus Flensburg, der sich auf eine dreiwöchige Geschäftsreise nach Tôkyô begibt. Genau der Richtige für diesen Job – denkt er jedenfalls. Denn Herr Hoffmann hat die Welt gesehen. Spanien, Tirol, Rimini, selbst London und ein bisschen von den USA kennt er bereits. Doch vor Japan hat er ein wenig Angst. Schließlich essen sie da nur rohen Fisch. Und sind, falls sie nicht gerade Ping Pong spielen oder Karate üben, die fleißigsten Menschen der Welt. Mindestens! Aber Herr Hoffmann wäre nicht Herr Hoffmann, wenn er nicht auch noch diese Hürde meistern sollte. Also wird er vorgeschickt, damit der Leser erfährt, was er bei seinem nächsten Japanbesuch besser machen kann. Und sollte. Denn nach der Lektüre ist klar: Eigentlich ist es völlig unmöglich nach Japan zu reisen, ohne sich unsäglich zu blamieren. Und so begleitet man den fast schon waghalsig unbekümmerten Norddeutschen auf einer rasanten Rutschpartie durch nahezu alle Fettnäpfchen, die die japanische Etikette so für einen bereit hält.

WC Pantoffeln
Pantoffeln wie diese trägt man auf der Toilette. Und tunlichst nur dort. (Foto © Andreas Fels)

[amazon_link asins=’394317624X‘ align=left template=’ProductAd‘ store=’japanlink-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’90ee98ad-d7ef-11e6-928d-5be15f8e5b30′]Dabei erlebt er nicht nur für alle Beteiligten ausgesprochen peinliche Augenblicke – etwa bei der obligatorischen Überreichung der Visitenkarte (übrigens ein Akt von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit) – sondern beträgt sich auch sonst geradezu skandalös respektlos den Japanern und ihren Ahnen gegenüber: Er sorgt bei der Tempelbesichtigung für Ordnung, dort hat nämlich jemand einer Jizo-Statue einfach eine rote Mütze übergezogen. Ein Akt der Gotteslästerung, den Herr Hoffmann nicht akzeptieren kann, und kurzentschlossen das Objekt des Anstoßes vom Kopf der Statue entfernt. Upps! Dann geht er noch einen Schritt weiter und putzt sich in aller Öffentlichkeit die Nase. Skandalös! Besonders, wenn man dabei auch noch sein Sakko offen trägt. Und so geht es immer weiter. Herr Hoffmann benutzt zum Gang aufs Klo die falschen Pantoffeln, im Restaurant gibt er Trinkgeld, er geht ungewaschen ins Onsen, bringt seiner Reisebegleiterin weiße Rosen mit, … Seine Schreckensreise scheint kein Ende nehmen zu wollen. Was sich für den Leser allerdings als überlebenswichtig herausstellt. Denn nach jeder vermeintlichen Peinlichkeit, die sich zum Glück öfter mal als gar nicht so schlimm herausstellt, erklären einem Kerstin und Andreas Fels, wie man peinliche Situationen vermeidet und was man besser machen kann. Jedes einzelne Kapitel ist dabei gespickt mit interessanten Informationen. Ob es sich um einen Restaurant-Geheimtipp, einen Exkurs in Manga und Anime oder Details zur älteren und jüngeren Japanischen Geschichte handelt: Die Axt im Chrysanthemenwald hält die ein oder andere Insiderinformation bereit, die auch Japankennern noch neu sein dürfte.

So ist das Buch nicht nur eine äußerst nützliche Lektüre für den typischen Geschäftsreisenden, sondern auch für »gewöhnliche« Reisende bestens geeignet. Und seien wir mal ehrlich: Der Unterhaltungswert, den dieses Buch bietet, darf einfach nicht außer Acht gelassen werden. Denn die Axt im Chrysanthemenwald bietet mehr als nur ein paar Lacher, und die kann man auch als Nicht-Kenner Japans verstehen. So geht es jedenfalls mir. Und spätestens am Ende dieser nützlich-spaßigen Lektüre überlegt man sich, ob dieses obskure Land in Fernost nicht doch mal eine Reise wert wäre.

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